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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Beatty.
    Sharon jedoch scheint ihn für ein Genie zu halten.
    Sie präsentiert ihn mit strahlendem Lächeln und glänzt wie eine Mutter voller Stolz auf ihre Frucht. Sie erläutert sogar sein Konzept einer »Kunst der Zerstörung«, während er schon wieder an der Perfektionierung seines Überdrußmundes arbeitet. »Demolition«, sagt sie, »der konsequenteste Ausdruck von Veränderung, Metamorphose, Neuanfang ; wenn du ein Brücke sprengst, dann sprengst du ein alte Übereinkunft.«
    Das klingt ja wie Anne, denkt Martin. Bin ich so weit gereist, um schon wieder Geschwafel zu hören ? Aber da ist auf einmal auch ein kleiner Schimmer auf Sharon, eine Aura, die bisher nicht um sie war. Für schwärmerisch hätte er sie nicht gehalten. »Eine Brücke kann abgetreten sein und ausgelatscht«, sagt er, »man müßte einen Dom sprengen, ein Kunstwerk, man muß intakte Übereinkünfte zerstören, nicht überkommene.«
    »Überkommene ?« fragt sie, »was ist überkommene.«
    »Hasbeens«, sagt er.
    »Die Mona Lisa«, sagt Roy.
    »Genau«, sagt Martin. »Kunst muß Kunst angreifen, nicht das Leben. Das ist nicht neu. Das Leben war schon immer der Gegner. Kennst du Arnulf Rainer ? Schon was von ihm gehört ?«
    »Yeah«, sagt Roy. Er fühlt sich verstanden und vergißt, seine Mundwinkel unten zu behalten.
    Sharons Augen machen eine flinke, kleine Bewegung zu Martin hin. Sie ist unsicher, ob er ihren Bruder auf den Arm nimmt. »Ich hab Hunger«, sagt sie, »gehen wir was essen ?«
    »Zu mir«, sagt Martin, »ich koche.«
    Roy kommt nicht mit. Ob er wirklich keinen Hunger hat, wie er sagt, oder seiner Schwester nicht ins Gehege kommen will, diese Frage erzeugt ein kleines Kitzeln in Martins Hinterkopf, und er wünschte, er hätte Sharons Gesicht gesehen in dem Augenblick, als ihr Bruder sich verabschiedete.
     
    *
     
    Seltsam, Sharon setzt sich ohne zu zögern auf seinen Lieblingsstuhl direkt neben der Spülmaschine. Den am wenigsten bequemen in der ganzen Wohnung. Sie legt ihre Hände in den Schoß, wie ein junges Mädchen, das sich schüchtern, der eigenen Körperlichkeit bewußt, am liebsten verstecken würde. Sie schaut zu, wie er die getrockneten Steinpilze einweicht, Wasser für die Pasta aufsetzt, eine Mehlschwitze anbräunt und sie dann mit Rotwein ablöscht. Erst als er Zwiebeln zu schälen beginnt und einen Strauß Petersilie zurechtlegt, bietet sie ihm ihre Hilfe an.
    »Bleib sitzen«, sagt er, »siehst schön aus.«
    »Danke.«
    »Obwohl du dir den ungemütlichen Platz rausgesucht hast.«
    »Ungemutlig ?«
    »Uncomfortable.«
    »Oh. I see. The seat is okay. Muß nicht gemutlig sein.«
    Martin lächelt. Diese Antwort hätte auch er geben können. Wie kommt diese angenehme Frau zu einem so unangenehmen Bruder ?
    »Kann ich vielleicht ein Dusche nehmen ?«
    »Sogar ein Bad. Wir haben eine Badewanne.«
    Er zeigt ihr das Badezimmer und ist überrascht, daß sie, als er mit zwei Handtüchern aus Rudis Kleiderschrank zurückkommt, schon begonnen hat, sich auszuziehen. Schnell verschwindet er wieder aus der Tür, denn sie scheint sich mit nacktem Oberkörper zu ihm umdrehen zu wollen. Lacht sie ? Es klang so.
    Er deckt den Tisch und entkorkt eine neue, bessere Flasche. Er weiß, daß Sharon seine Gedanken liest, und ist nicht erstaunt, als er sie rufen hört : »Bringst du mir ein Schluck ?«
    Höflich hält er beim Betreten des Badezimmers die Augen gesenkt, aber er muß ihre Hand finden, um ihr das Glas zu reichen, und sieht sie lächeln über seine Scheu.
    »Bonnard«, sagt er, »die Frau in der Badewanne. Dein Bruder müßte jetzt ein Säureattentat auf dich in Er-wägung ziehen.«
    »In Erwägung ziehen ?«
    »Sorry, ich rede wie ein Beamter.«
    »Ist Bonnard ein Impressionist ?«
    »Ja. Einer aus der Gruppe der Nabis um Gauguin.«
    »Du bist ein kluger Mann.«
    »Nein.«
    Martin ist halb draußen, als sie noch sagt : »Bringst du mir auch ein Zigarette ?«
    Würde sich gar nichts mehr bei ihm regen, wäre er wirklich so abgestorben und stumpf, wie er glaubt, dann dürfte der Anblick ihrer im Wasser schwimmen-den Brüste nur belustigtes Erstaunen bei ihm auslösen.
    Wie zwei übergroße chinesische Fahrradklingeln oder diese geschmacklosen und für humorvoll geltenden Puddinge dümpeln sie in heiterer Symmetrie nebeneinander in der spärlicher werdenden Schaumschicht auf dem Wasser. Sharon reckt ihm ein entspanntes Gesicht entgegen, damit er ihr die brennende Zigarette zwischen die Lippen stecken kann. Es wäre

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