Der langsame Walzer der Schildkroeten
die gleichen Fehler zu machen.«
»Und was ist mit meiner Liebe zu dir?«
»Das ist keine Liebe, das ist Eigennutz; und du wirst dich schnell davon erholen. Du wirst einen anderen Mann finden, dessen bin ich mir ganz sicher.«
»Dann hättest du mich gar nicht erst herkommen lassen sollen!«
»Du hast mich nicht nach meiner Meinung gefragt! Du hast dich selbst eingeladen, ich habe keine Einwände erhoben, um Alexandre zu schonen, aber ich habe dich niemals gebeten zu kommen.«
»Ja, genau, lass uns über Alexandre reden! Wenn das so ist, nehme ich ihn mit nach Paris. Ich lasse ihn nicht hier bei deiner … Mätresse!«
Sie hatte dieses Wort ausgespien, das ihren Mund besudelte.
Er packte sie bei den Haaren, so fest, dass es wehtat, presste seinen Mund auf ihr Ohr und zischte: »Alexandre bleibt hier bei mir, keine Diskussion!«
»Lass mich los!«
»Hast du mich verstanden? Wenn du darauf bestehst, gehen wir im Streit auseinander. Von Alexandre lässt du die Finger. Sag mir, wie deine Forderungen aussehen, und ich gebe dir das Geld, aber das Sorgerecht für Alexandre bekommst du nicht.«
»Das werden wir ja sehen! Er ist mein Sohn!«
»Du hast dich nie um ihn gekümmert, nie auch nur einen Gedanken an ihn verschwendet, und ich werde nicht zulassen, dass du ihn missbrauchst, um mich zu erpressen. Hast du das verstanden?«
Sie senkte den Kopf und antwortete nicht.
»Du wirst heute im Hotel übernachten. Gleich nebenan gibt es ein sehr schönes. Dort verbringst du die Nacht, und morgen früh fährst du ohne großes Aufsehen wieder nach Hause. Ich werde Alexandre sagen, dass du dich nicht wohlgefühlt hast und nach Paris zurückgefahren bist. In Zukunft wirst du ihn hier besuchen. Wir werden gemeinsam entscheiden, wann und wie diese Treffen stattfinden, und solange du dich ordentlich aufführst, kannst du ihn sehen, so oft du willst. Aber nur unter einer Bedingung: Du hältst ihn aus allem raus, ist das klar?«
Sie machte sich von ihm los und stand auf. Zog ihre Kleidung zurecht. Und antwortete, ohne ihn anzusehen: »Verstanden. Ich werde darüber nachdenken und mich bei dir melden. Besser gesagt, ich nehme mir einen Anwalt, der sich bei dir melden wird. Du willst Krieg? Meinetwegen, den kannst du haben!«
Er lachte laut auf.
»Wie willst du denn Krieg führen, Iris?«
»Wie alle Mütter, die um ihr Kind kämpfen! Einer Mutter wird niemals das Sorgerecht entzogen. Es sei denn, sie wäre eine Schlampe, eine Alkoholikerin oder ein Junkie!«
»Die im Übrigen sehr gute Mütter sein können. Jedenfalls bessere Mütter als du! Versuch nicht, gegen mich anzugehen, Iris, du könntest alles verlieren …«
»Das werden wir ja sehen!«
»Ich habe Fotos aus mehreren Zeitschriften, auf denen zu sehen ist, wie du einen Teenager küsst, ich habe Zeugen für dein unmögliches Verhalten in New York, ich hatte sogar einen Privatdetektiv engagiert, der alles über deine Beziehung zu Gabor Minar herausfinden sollte, ich habe deinen ausgedehnten Aufenthalt in der Klinik bezahlt, ich bezahle deinen Friseur, deine Massagen, deine Designerklamotten, deine Restaurantrechnungen, die Tausende von Euro, die du zum Fenster hinauswirfst! Kein Mensch wird dir auch nur eine Sekunde lang die trauernde Mutter abnehmen. Der Richter wird dich auslachen. Vor allem, wenn es eine Frau ist, die selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommt! Du weißt gar nicht, wie das Leben ist, Iris. Du hast nicht die leiseste Vorstellung davon. Du wirst dich vor Gericht zum Gespött machen.«
Sie war bleich geworden, ihre blauen Augen hatten allen Glanz verloren, ihre Mundwinkel sanken herab, ihr langes Haar hing wie ein schwarzer Vorhang herunter, sie war nicht länger die umwerfende, die hinreißende Iris Dupin, sondern eine vernichtete Frau, die ihre Macht, ihre Schönheit, ihr Vermögen entschwinden sah.
»Habe ich mich klar ausgedrückt?«, fragte Philippe.
Sie antwortete nicht. Sie schien nach einer schneidenden Erwiderung zu suchen, die sie nicht fand. Sie griff nach ihrer Stola, ihrer Birkin Bag, ihrer Reisetasche. Und floh, die Tür hinter sich zuschlagend, aus der Wohnung.
Sie verspürte nicht den Drang, zu weinen. Sie war einfach nur benommen. Sie ging durch einen langen weißen Korridor, an dessen Ende ihr der Himmel auf den Kopf fallen würde. Dann würde sie leiden, und ihr Leben wäre bloß noch ein gewaltiger Trümmerhaufen. Sie wusste nicht, wann dieser Moment kommen würde, sie wollte lediglich das Ende des Flurs so weit wie möglich
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