Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
Vom Netzwerk:
geflogen. Nach Mailand. Zu einer Modenschau. Übermorgen kommt er zurück. Vittorio Giambelli. Also, wenn jemand gut aussieht, dann der, das muss man ihm lassen. Wenn er reinkommt, geht die Sonne auf …«
    Die Concierge brütete einen Moment vor sich hin, als erholte sie sich von einer enttäuschten Liebe.
    »Diesen Luca hat er sicher erfunden, um sich interessant zu machen. Er hasst es, wenn die Leute ihn darauf ansprechen, dass seine Fotos in Zeitschriften abgedruckt werden. Da wird er fuchsteufelswild! Mein Gott, damit verdient er nun mal sein Geld. Glauben Sie, mir macht es Spaß, hinter fremden Leuten herzuputzen? Aber damit verdiene ich mein Geld! Und das in seinem Alter! Höchste Zeit, dass er endlich vernünftig wird …«
    »Das ist doch verrückt!«
    »Der lügt, wenn er nur den Mund aufmacht, aber eines Tages nimmt das noch ein böses Ende, das sage ich Ihnen! Denn sobald ihn jemand schief ansieht, verliert er die Beherrschung … Ein paar Leute hier im Haus haben sogar darum gebeten, dass ihm die Wohnung gekündigt wird, und das sagt ja wohl alles. Einmal ist er auf eine arme Frau losgegangen, die ein Autogramm von ihm wollte, er hat sie bedroht, das hätten Sie hören sollen! Eine Schublade hat er ihr ins Gesicht geworfen! Also manche Leute, die frei herumlaufen, gehören vielleicht wirklich besser weggesperrt.«
    »Ich hätte nie geglaubt …«, stammelte Joséphine.
    »Sie sind nicht die Erste, der so was passiert. Und Sie werden wohl auch nicht die Letzte sein.«
    »Sagen Sie ihm nicht, dass ich hier war … Hören Sie?«, beschwor Joséphine die Frau. »Er soll nicht wissen, dass ich Bescheid weiß. Bitte, das ist wichtig …«
    »Wie Sie wollen. Mir ist das gleich, ich leg eh keinen großen Wert darauf, viel mit ihm zu tun zu haben. Und was ist jetzt mit dem Schlüssel? Wollen Sie den noch behalten?«
    Joséphine nahm den Umschlag zurück. Sie würde ihn per Post schicken.
    Sie tat, als ginge sie weg, wartete, bis die Concierge die Tür wieder geschlossen hatte, machte kehrt und ließ sich auf die Treppenstufen sinken. Sie hörte das Brummen des Staubsaugers in der Loge. Sie brauchte einen Moment für sich, ehe sie wieder zu Iphigénie zurückkehrte. Luca war der stirnrunzelnde Mann in Unterhosen auf dem Plakat. Sie erinnerte sich an den Beginn ihrer Beziehung. Immer wieder war er plötzlich verschwunden. Und dann wieder aufgetaucht. Sie hatte nie gewagt, ihm Fragen zu stellen.
    Wer war er? Vittorio und Luca? Vittorio, der davon träumte, Luca zu sein? Oder Luca, der an Vittorio gefesselt war? Je länger sie darüber nachdachte, desto rätselhafter wurde der Abgrund, in den sie immer tiefer fiel.
    Er führt ein Doppelleben. Das Model, das er verabscheut, der belesene Wissenschaftler, den er respektiert … Das erklärte auch, warum er so distanziert war, warum er sie weiterhin gesiezt hatte. Er konnte sie nicht zu nah an sich heranlassen, aus Furcht, entlarvt zu werden. Er konnte sich ihr nicht öffnen, aus Furcht, ihr alles zu gestehen.
    Und als er ihr im November kurz vor dem Überfall gesagt hatte: »Joséphine, ich muss mit Ihnen reden, ich muss Ihnen etwas Wichtiges sagen …«, da hatte er ihr vielleicht alles gestehen wollen. Doch in letzter Minute hatte ihn der Mut verlassen. Er war nicht gekommen. Kein Wunder, dass er mir nie viel Beachtung geschenkt hat! Er war in Gedanken ganz woanders. Wie ein Jongleur, der sich auf seine Bälle konzentriert, behielt er jede Lüge im Blick. Lügen kostet viel Mühe, es erfordert eine Menge Organisation. Ständige Aufmerksamkeit. Und sehr viel Energie.
    Sie ging zurück zum Auto, wo Iphigénie auf sie wartete. Ließ sich schwer auf ihren Sitz fallen. Drehte den Zündschlüssel, den Blick in der Ferne verloren.
    »Alles in Ordnung, Madame Cortès? Sie wirken total durcheinander …«
    »Das geht gleich wieder, Iphigénie.«
    »Sie sind ja kreidebleich! Haben Sie einen Geist gesehen?«
    »So könnte man das auch nennen.«
    »Aber es ist nichts passiert, was sich nicht wieder geradebiegen lässt?«
    »Doch …«, seufzte Joséphine und versuchte, den Weg zum Intermarché wiederzufinden.
    »Na ja, so ist das Leben, Madame Cortès. Da kann man nichts machen.«
    Und sie schob eine lose Strähne unter ihr Kopftuch zurück, als brächte sie dadurch wieder Ordnung in ihr eigenes Leben.
    »Wissen Sie, Iphigénie«, erklärte Joséphine, etwas pikiert darüber, so umstandslos in die Kategorie »Wechselfälle des Lebens« einsortiert zu werden, »mein Leben war

Weitere Kostenlose Bücher