Der langsame Walzer der Schildkroeten
ihm zum Hundefriseur, sonst bekommt er Flöhe und kratzt sich …«
»Pff!«, entgegnete Zoé. »Du Guesclin kommt von der Straße, nicht aus einem Friseursalon.«
Ein Mann mit abgenutzten Zähnen und seine in ein billiges Kostüm gezwängte Frau unterhielten sich mit einer weiß gepuderten alten Dame über die rasant steigenden Immobilienpreise in ihrem Viertel, während ein anderer Iphigénie gratulierte und den Himmel segnete, der sie endlich belohnt habe, indem er ihr einen Lottogewinn bescherte.
»Solche Glücksspiele sind ja nicht immer gerecht, aber Sie haben es wirklich verdient! Bei all der Mühe, die Sie sich hier im Haus geben!«
»Sagen Sie das mal Mademoiselle de Bassonnière«, versetzte Iphigénie. »Die meckert ständig an mir rum und versucht, mich rauswerfen zu lassen! Aber jetzt, wo meine Loge ein solcher Palast ist, gehe ich hier bestimmt nicht mehr weg!«
Monsieur Sandoz warf sich in die Brust. Das Wort »Palast« war ihm geradewegs ins Herz gedrungen. Er spürte, wie sein ganzes Wesen zu Iphigénie hindrängte. Sie hatte eine bonbonrosa Tönung aufgetragen und die Spitzen dunkelblau abgesetzt. Dazu trug sie ein rot kariertes Kleid. Was für eine Frau! Nachdem er gestern das letzte Möbelstück aufgestellt hatte, hatte er ihr zugeflüstert: »Iphigénie, Sie sind schön wie eine Walküre«, doch sie hatte »wie eine Vampirin« verstanden und ihr trompetendes Schnauben von sich gegeben. Er streichelte sie mit Blicken, seufzte und beschloss zu gehen. Niemandem würde auffallen, dass er weg war. Nie fiel jemandem auf, ob er da war oder nicht.
»Ach was! So schlimm ist Mademoiselle de Bassonnière nun auch wieder nicht! Sie vertritt unsere Interessen sehr gut«, erklärte ein Mann mit Baskenmütze und dem Abzeichen der Ehrenlegion auf der Brust.
»Diese alte Hexe!«, platzte es aus Monsieur Merson heraus. »Sie waren gestern Abend nicht bei der Versammlung. Mir ist aufgefallen, dass Sie geschwänzt haben …«
»Ich hatte ihr eine Vollmacht ausgestellt«, antwortete der Mann und wandte ihm den Rücken zu.
»Ach so, dann nehme ich alles zurück«, sagte Monsieur Merson lachend. »Jedenfalls können wir sicher sein, dass sie sich heute Abend hier nicht blicken lässt!«
»Und was ist mit Monsieur Pinarelli? Ist er nicht gekommen?«, fragte die Frau mit dem Pudel.
»Seine Mutter hat ihm keinen Ausgang gegeben! Die hält ihn kurz. Sie glaubt wohl, er wäre immer noch zwölf Jahre alt. Ab und zu versucht er, hinter ihrem Rücken etwas auszufressen, doch dann bestraft sie ihn! Das hat er mir selbst gesagt. Wussten Sie, dass er abends nicht allein aus dem Haus darf? Ich wette mit Ihnen, der ist noch Jungfrau!«
Iris saß in der Ecke auf einem Ikea-Stuhl, betrachtete die Anwesenden und sann darüber nach, wie tief sie doch gefallen war. Um diese Zeit hätte sie eigentlich in Philippes schöner Wohnung in London sein und ihre Kaschmirpullover einräumen oder hier und da einen Gegenstand verrücken sollen, um ihre Anwesenheit zu demonstrieren, stattdessen saß sie jetzt hier in einer Hausmeisterloge, lauschte belanglosem Gerede und lehnte fade Häppchen und billigen Champagner ab. Nicht ein interessanter Mann weit und breit, abgesehen von diesem Monsieur Merson, der sie mit Blicken auszog. Es sah Joséphine ähnlich, sich mit derart gewöhnlichen Leuten einzulassen. Mein Gott! Wie soll mein Leben denn jetzt weitergehen? Sie hatte immer noch das Gefühl, durch den langen weißen Korridor zu gehen.
»Ihre Schwester ist einfach umwerfend«, flüsterte Monsieur Merson mit einem Seufzen dicht neben Joséphines Ohr. »Etwas kühl vielleicht, aber ich würde sie liebend gerne auftauen!«
»Monsieur Merson, zügeln Sie Ihre Leidenschaft!«
»Ich liebe Herausforderungen, uneinnehmbare Türme, die man stürzt, indem man sie in Lust zerschmelzen lässt … Wie wär’s, Madame Cortès, hätten Sie Interesse an einem flotten Dreier?«
Joséphine verlor die Fassung und wurde feuerrot.
»Aha, da habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen! Haben Sie es schon mal versucht?«
»Monsieur Merson!«
»Das sollten Sie aber. Sex ganz ohne Gefühle und Besitzansprüche ist einfach wundervoll … Man gibt sich hin, ohne einander in Ketten zu legen. Seele und Herz entspannen sich beim Spiel der Körper … Sie sind viel zu ernst!«
»Und Sie sind nicht ernst genug«, versetzte Joséphine und floh zu Zoé, die verzweifelt zur Tür starrte.
»Langweilst du dich, Liebes? Möchtest du lieber hochgehen? Zu Du
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