Der langsame Walzer der Schildkroeten
lange trist und eintönig. Ich bin so etwas nicht gewöhnt.«
»Tja, damit werden Sie sich abfinden müssen, Madame Cortès. Das Leben ist kein gemütlicher Spaziergang, sondern ein Weg voller Schlaglöchern und Dellen. Es sei denn, es schläft mal kurz ein, aber wenn es wieder aufwacht, dann hört es gar nicht mehr auf, Sie durchzuschütteln!«
»Mir wäre es ganz recht, wenn es für einen Moment damit aufhören würde.«
»Die Entscheidung liegt nicht bei Ihnen …«
»Ich weiß, aber ich kann es mir doch wenigstens wünschen, oder?«
Iphigénie spitzte die Lippen und pfiff spöttisch, als wollte sie sagen: Verlassen Sie sich mal lieber nicht darauf, und Joséphine erkannte an der Kreuzung die breite Durchgangsstraße wieder, die zum Intermarché führte.
Sie füllten zwei Einkaufswagen mit Lebensmitteln und Getränken. Iphigénie plante großzügig. Joséphine bremste sie. Sie war nicht davon überzeugt, dass wirklich so viele Gäste kommen würden. Monsieur und Madame Merson, Monsieur und Madame van den Brock und Monsieur Lefloc-Pignel hatten versprochen vorbeizuschauen, zwei Paare aus Haus B und eine Frau, die mit ihrem weißen Pudel allein lebte, hatten ebenfalls zugesagt. Iris. Zoé. Aber die anderen? Iphigénie hatte ihre Einladung in der Eingangshalle aufgehängt und behauptete, Haus B würde zahlreich vertreten sein. »Die halten sich nicht für was Besseres, nicht wie die aus Haus A, die nicht meinetwegen Ja gesagt haben, sondern um Ihnen einen Gefallen zu tun.«
»Sollten die Zeiten des Klassenkampfs nicht langsam vorbei sein, Iphigénie?«
»Ich sage nur, was ich denke. Die Reichen bleiben lieber unter sich. Die Armen sind aufgeschlossen. Jedenfalls wären sie gerne aufgeschlossen, aber man lässt sie ja nicht immer.«
Joséphine lag auf der Zunge, ihr zu sagen, dass sie es von Anfang an für keine gute Idee gehalten hatte, Menschen zusammenzubringen, die einander das ganze Jahr über ignorierten. Doch dann dachte sie, was soll’s? Lasst uns positiv denken. Aber es fiel ihr schwer, positiv zu denken: Philippes Verrat, Lucas Lüge und jetzt auch noch der Klassenkampf!
Iphigénie häufte Häppchen und belegte Baguettes, Mineralwasser und Wein, Papierservietten, Plastikbecher, Oliven, Erdnüsse, Roastbeef und Zervelatwurst in den Einkaufswagen. Kontrollierte ihre Liste. Legte noch Cola für die Kinder und eine Flasche Whisky für die Männer hinzu. Joséphine griff nach Trockenfutter. Einen großen Beutel für Hundesenioren. Wie alt mochte Du Guesclin wohl sein?
An der Kasse zückte Iphigénie stolz ihr Portemonnaie. Joséphine ließ sie gewähren. Die Kassiererin fragte, ob sie eine Bonuskarte habe, und Iphigénie drehte sich zu Joséphine um.
»So, und jetzt holen Sie mal Ihre Karte raus, damit ich für Sie Punkte sammle!«
Sie strahlte vor Freude bei dem Gedanken, Joséphines Bonuspunkte aufzustocken, und trat, mit ihren Scheinen wedelnd, von einem Fuß auf den anderen. Joséphine reichte der Kassiererin die Karte.
»Wie viele Punkte hat sie denn drauf?«, wollte Iphigénie ungeduldig wissen.
Die Kassiererin zog eine Augenbraue hoch und senkte den Blick auf die Anzeige.
»Null!«
»Das ist unmöglich!«, rief Joséphine. »Ich habe sie noch nie benutzt!«
»Das mag ja sein, aber Ihr Punktekonto ist trotzdem leer …«
»Also so was, Madame Cortès! «
Iphigénie starrte sie mit offenem Mund an.
»Das verstehe ich nicht …«, murmelte Joséphine verlegen. »Ich habe sie doch noch nie eingelöst.«
Und ihr kam der Gedanke, dass sie ohnehin nie wirklich an diese Bonuskarte geglaubt hatte. Sie witterte Betrug, einen Preisnachlass auf Pasteten, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war, auf verschimmelten Käse, auf die Strumpfhosen mit Laufmaschen, die unbedingt verkauft werden mussten, oder die Zahnpasta, von der man Karies bekam.
»Sie müssen sich irren. Holen Sie die Verantwortliche für die Kassen her«, verlangte Iphigénie, die diese Entwicklung nicht tatenlos hinnehmen wollte.
»Lassen Sie doch, Iphigénie, wir verschwenden hier nur unsere Zeit …«
»Nein, Madame Cortès. Sie haben Geld bezahlt, also haben Sie auch ein Recht auf Ihre Bonuspunkte. Vielleicht ist es ja nur ein Fehler im Gerät …«
Die Kassiererin, die es leid war, zwanzig Jahre alt zu sein und hinter einer Supermarktkasse zu sitzen, drückte mit letzter Kraft auf eine Klingel. Eine elegante, dynamische Frau mit angegrautem Haar kam zu ihnen und stellte sich vor: Sie sei Buchhalterin und führe die
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