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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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schloss die Augen und versuchte zu schlafen, doch jedes Mal wenn sie kurz davor war, wegzudämmern, hörte sie wieder die Beschimpfungen des Mannes und spürte seine wütenden Fußtritte am ganzen Körper. Sie stand auf und durchwühlte eine Plastiktüte, die Philippe ihr gegeben hatte. »Das sind Schlafmittel, die in Iris’ Nachttisch gefunden wurden. Ich will nicht, dass sie sie in Reichweite hat. Man kann nie wissen. Nimm du sie, Jo, und bewahre sie bei dir auf.«
    Sie nahm eine Stilnox aus der Packung, betrachtete das kleine weiße Stäbchen, fragte sich, welche Dosis in ihrem Fall wohl angebracht wäre. Beschloss, eine halbe Tablette zu nehmen, schluckte sie mit einem Glas Wasser. Sie wollte an nichts mehr denken. Schlafen, schlafen, schlafen.
    Morgen war Samstag, dann würde sie Shirley anrufen.
    Mit Shirley zu reden würde sie beruhigen. Shirley rückte die Dinge wieder zurecht.
    Mache ich mich strafbar, wenn ich die Polizei nicht informiere? Vielleicht sollte ich den Vorfall melden und darum bitten, anonym zu bleiben. Könnten sie mich später der Mittäterschaft beschuldigen, falls der Kerl erneut auf jemanden losgeht? Sie zögerte, wollte aufstehen, doch der Schlaf übermannte sie.
    Am nächsten Morgen wurde sie von Zoé geweckt, die auf ihr Bett sprang und mit der Post wedelte. Sie hob die Arme, um sich vor dem Licht zu schützen.
    »Oh, Schatz, wie spät ist es?«
    »Halb zwölf, Maman, halb zwölf!«
    »Mein Gott, so lange habe ich geschlafen! Wie lange bist du denn schon auf?«
    »Jippie, jippie yeah! Ich bin gerade erst wach geworden. Dann habe ich draußen auf der Fußmatte nachgesehen, ob Post da ist, und jetzt rate mal, was ich gefunden habe?«
    Joséphine richtete sich auf und hielt sich den Kopf. Zoé schwenkte ein Bündel Umschläge.
    »Einen Weihnachtskatalog? Ideen für Geschenke?«
    »Nein, Maman, was ganz anderes! Viel besser …«
    Gott, war ihr Schädel schwer! Ein ganzes Regiment marschierte mit schweren Stiefeln hindurch. Jede Bewegung schmerzte.
    »Ein Brief von Hortense?«
    Hortense schrieb nie. Sie rief an. Zoé schüttelte den Kopf.
    »Kalt, Maman, eiskalt! Du liegst voll daneben!«
    »Ich gebe auf.«
    »Das ist der totale Wahnsinn! Der Megahammer! Der ultimative Megahammer! Kisses and love and peace all around the world! Yo, brother! «
    Jeder Schrei war von einem kräftigen Stampfen begleitet, sie hüpfte auf der Matratze herum wie ein Sioux im Siegesrausch, der in Trance einen Skalp herumwirbelt.
    »Hör auf zu springen, Liebes. Mir platzt gleich der Kopf!«
    Zoé ließ sich mit ihrem ganzen Gewicht aufs Bett fallen. Mit zerwuscheltem Haar und einem strahlenden Lächeln verkündete sie triumphierend: »Eine Postkarte von Papa! Eine Karte von meinem Papilein! Es geht ihm gut, er ist immer noch in Kenia, er schreibt, dass er sich nicht bei uns melden konnte, weil er sich im Dschungel verirrt hatte, mit lauter Krokodilen drumherum, aber dass er nicht eine Minute – hörst du, Maman? –, nicht eine Minute aufgehört hat, an uns zu denken! Und er schickt mir tausend Küsse, tausend liebe Papa-Küsse! Jippie yeah, jippie yeah, mein liebster Papa ist wieder da!«
    Mit einem letzten freudigen Satz warf sie sich auf ihre Mutter, die vor Schmerz das Gesicht verzog: Zoé war auf ihrer Hand gelandet.
    »Ist das nicht toll, Maman? Ich bin so glücklich, das kannst du dir gar nicht vorstellen! Jetzt kann ich es dir ja sagen, ich dachte schon, er wäre tot. Ich dachte, er wäre von einem Krokodil gefressen worden. Weißt du noch, was ich für eine Angst hatte, als ich ihn bei diesen ekligen Viechern besucht habe? Ich war mir sicher, dass sie ihn irgendwann auffressen würden!«
    Sie öffnete den Mund ganz weit, schnappte in die Luft und stieß »Grumpf, grumpf«-Laute aus, die das Geräusch eines Krokodilkiefers imitieren sollten, der seine Beute zermalmt.
    »Er lebt, Maman, er lebt! Bald steht er vor der Tür und klingelt …«
    Doch plötzlich richtete sie sich beunruhigt auf.
    »O Gott! Er kennt unsere neue Adresse ja gar nicht! Wie soll er uns da jemals finden?«
    Joséphine griff nach der Postkarte. Sie kam tatsächlich aus Kenia. Das Datum des Poststempels verriet, dass sie einen Monat zuvor in Mombasa abgeschickt worden war, und die Adresse war natürlich die in Courbevoie. Sie erkannte Antoines Schrift und seinen großspurigen Stil wieder.
    Meine lieben Schätzchen,
    nur eine kurze Nachricht von mir, um Euch mitzuteilen, dass es mir gut geht und ich nach einem langen Aufenthalt im

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