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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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wieder einen anderen Mann in deine Nähe lässt. Dieser Mann, mit dem ich dich einmal im Restaurant gesehen habe …« Wie hatte er davon erfahren? Er war doch im Urlaub gewesen. War er doch gleich wieder zurückgekommen? War er ihr gefolgt? Dann liebte er sie ja doch, er liebte sie! »Diesen Mann lässt du nie wieder in deine Nähe, versprichst du mir das?« Sie hatte gelernt, mit ihm zu reden. Sie stellte niemals Fragen, sprach nur, wenn er es ihr erlaubte. Sie fragte sich, wie es weitergehen würde, wenn seine Frau und seine Kinder wieder zurück waren.
    Morgens stellte er den Schinken und den Reis auf ihren Küchentisch. Sie musste sauber sein, ihr weißes Kleid tragen. Er fuhr mit dem Finger über ihre Augenlider, an ihrem Hals entlang, zwischen ihre Beine. Er verabscheute Körpergeruch zwischen den Beinen. Sie schrubbte sich mit Kernseife die Haut wund. Das war die schwerste Prüfung: Sie durfte sich auf keinen Fall verraten und biss die Zähne zusammen, um ein lustvolles Stöhnen zu unterdrücken. Er fuhr mit einem Finger über den Fernsehbildschirm, um zu kontrollieren, ob kein Staub daran haftete, mit einem anderen über die Fliesen, das Parkett, das Kaminsims. Wenn alles sauber war, wirkte er zufrieden. Dann kam er zu ihr zurück und strich ihr sacht über die Wange, eine sehr zärtliche Liebkosung, die ihr die Tränen in die Augen trieb. »Siehst du«, sagte er dann, und es war einer der seltenen Momente, in denen er sie duzte, »siehst du, das ist Liebe, wenn man alles gibt, wenn man sich rückhaltlos, blindlings hingibt, das wusstest du früher nicht, du konntest es nicht wissen, du lebtest in einer derart falschen Welt … Wenn sie alle wieder zurück sind, miete ich eine Wohnung, in der du leben wirst. Du wirst geläutert sein, und wenn du dich vorbildlich verhältst, können wir vielleicht auch die Regeln ein wenig lockern. Du wirst auf mich warten, du wirst auf mich warten müssen, und ich werde mich um dich kümmern. Ich werde dir die Haare waschen, ich werde dich baden, ich werde dir zu essen geben, ich werde deine Fingernägel schneiden, ich werde dich pflegen, wenn du krank bist, und du, du wirst rein bleiben, rein, und kein Blick eines Mannes wird dich jemals wieder beschmutzen … Ich werde dir Bücher geben, die du lesen wirst, Bücher, die ich auswähle. Du wirst dich bilden. Schöne Dinge lernen. Abends wirst du mit gespreizten Beinen im Bett liegen, und ich werde mich auf dich legen. Du wirst dich nicht bewegen dürfen, nur einmal ganz leise aufstöhnen, um mir zu zeigen, dass es dir Spaß macht. Ich werde mit dir machen, was ich will, und du wirst niemals widersprechen … Niemals widersprechen«, wiederholte er mit erhobener Stimme.
    Wenn er eine benutzte Gabel oder ein paar Körnchen Reis auf dem Küchentisch fand, wurde er wütend, zog sie an den Haaren und brüllte: »Was ist das? Was? Das ist schmutzig, Sie sind schmutzig!« Und er schlug sie, und sie ließ sich schlagen. Sie liebte die Angst, die diesen Schlägen vorausging, das qualvolle Warten, habe ich alles richtig gemacht, werde ich bestraft oder belohnt? Das Warten und die Angst bauschten ihr Leben auf, jede Minute war wichtig, jede Sekunde des Wartens erfüllte sie mit einem nie gekannten, nie geahnten Glück. Sie wartete auf den Moment, in dem sie erkannte, ob er glücklich und zufrieden oder, im Gegenteil, zornig und brutal war. Ihr Herz klopfte, klopfte, in ihrem Kopf drehte sich alles. Sie wusste es nie im Voraus. Sie ließ sich schlagen, sie sank vor ihm zu Boden und versprach, so etwas nie wieder zu tun. Dann fesselte er sie an den Stuhl. Dort blieb sie den ganzen Tag. Mittags kam er zurück, um ihr zu essen zu geben. Sie öffnete den Mund, wenn er es befahl. Kaute, wenn er es befahl, schluckte, wenn er es befahl. Manchmal wirkte er so glücklich, dass sie in der Wohnung Walzer tanzten. Schweigend. Ohne jedes Geräusch, und das machte es nur umso schöner. Er zog ihren Kopf an sich und streichelte sie. Er küsste sie sogar zärtlich aufs Haar, und sie glaubte, die Besinnung zu verlieren.
    Eines Tages, als sie ungehorsam gewesen war und er sie festgebunden hatte, klingelte das Telefon. Er konnte es nicht sein. Er wusste, dass sie gefesselt war. Überrascht hatte sie festgestellt, dass es ihr völlig egal war, wer da anrief. Sie gehörte nicht mehr in jene Welt. Sie hatte keine Lust mehr, mit anderen Menschen zu reden. Sie würden nicht verstehen, wie glücklich sie war.
    Abends spielte er in seiner Wohnung Opern. Er

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