Der langsame Walzer der Schildkroeten
werden könnte: Seine Frau und er bekamen Besuch von Verwandten. Er trug einen Smoking, sein Haar war geglättet und der Scheitel so streng gezogen wie die Beete in einem klassischen französischen Garten.
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, lächelte Joséphine, während sie die Metapher im Geiste weiterspann und zu dem Schluss kam, dass sie den sanfteren Charme englischer Gärten vorzog, »bei uns könnte es auch etwas Lärm geben…«
Sollte sie ihm ein Glas Champagner anbieten? Sie zögerte, doch als er keine Anstalten machte, sich zu verabschieden, bat sie ihn herein.
»Ich möchte Sie auf keinen Fall stören …«, entschuldigte er sich und trat entschlossen in den Flur.
Sie wischte sich mit einem Spültuch die Hände ab und reichte ihm eine etwas fettige Hand.
»Macht es Ihnen etwas aus, mich in die Küche zu begleiten? Ich habe gerade den Truthahn im Ofen.«
Er folgte ihr und bemerkte heiter: »Dann betrete ich also gleich Ihr Allerheiligstes! Welche Ehre …«
Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen und schwieg dann doch. Sie nahm eine Flasche Champagner aus dem Kühlschrank und reichte sie ihm, damit er sie öffnete. Sie wünschten einander frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr. Er ist wirklich attraktiv, dachte sie, trotz seiner gestriegelten Haare. Wie seine Frau wohl aussieht? Ich bin ihr noch nie begegnet.
»Ich wollte Sie fragen …«, setzte er mit dumpfer Stimme an, »Ihre Tochter … hmm … Wie hat sie auf das reagiert, was Madame Berthier zugestoßen ist?«
»Es war ein Schock für sie. Wir haben viel darüber geredet.«
»Denn Gaétan spricht überhaupt nicht darüber.«
Er wirkte besorgt.
»Und Ihre übrigen Kinder?«, erkundigte sich Joséphine.
»Charles-Henri, der Älteste, kannte sie gar nicht, er ist auf einer anderen Schule. Und Domitille hatte sie nicht als Lehrerin … Gaétan ist derjenige, der mir Sorgen macht, und da er in dieselbe Klasse geht wie Ihre Tochter … Ich dachte, vielleicht hätten sie ja miteinander geredet.«
»Davon hat sie mir nichts erzählt.«
»Ich habe gehört, dass Sie von der Polizei vernommen wurden.«
»Ja. Ich bin vor einiger Zeit auch überfallen worden.«
»Auf die gleiche Weise?«
»O nein! Das war gar nichts, verglichen mit dem, was der armen Madame Berthier zugestoßen ist …«
»Da hat mir der zuständige Kommissar aber etwas ganz anderes erzählt.«
»Ach, wissen Sie, auf Polizeirevieren wird oft übertrieben.«
»Das glaube ich nicht.«
Sein Ton war streng, als wollte er sagen: »Ich glaube, Sie lügen.«
»Wie auch immer, es war nicht wichtig, ich bin ja nicht tot! Ich stehe hier und trinke mit Ihnen Champagner!«
»Ich möchte nicht, dass er sich an unseren Kindern vergreift«, fuhr Monsieur Lefloc-Pignel fort. »Wir sollten um Polizeischutz bitten. Einen Beamten draußen vor dem Haus.«
»Tag und Nacht?«
»Ich weiß es nicht. Deshalb wollte ich ja mit Ihnen reden.«
»Warum sollten sie ausgerechnet unser Haus unter Polizeischutz stellen?«
»Weil Sie überfallen wurden. Warum sollten Sie das abstreiten?«
»Ich weiß nicht, ob es derselbe Mann war. Ich halte nicht viel von überstürzten Schlussfolgerungen …«
»Ich bitte Sie, Madame Cortès …«
»Nennen Sie mich doch Joséphine.«
»Ich … nein … Madame Cortès ist mir lieber.«
»Wie Sie wollen …«
Sie wurden durch das Eintreffen von Shirley, Gary und Hortense unterbrochen, die, die Arme voller Päckchen, Nasen und Schläfen von der Kälte gerötet, hereinstürmten. Sie klopften ihre Handschuhe ab, pusteten in ihre Hände und verlangten lautstark nach einem Glas Champagner. Joséphine stellte sie vor. Hervé Lefloc-Pignel verneigte sich vor Shirley und Hortense. »Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte er zu Hortense. »Ihre Mutter hat mir schon viel von Ihnen erzählt.« Das ist mir neu, dachte Joséphine, wir haben Hortense nie erwähnt. Hortense schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. Und da erkannte Joséphine, dass Hervé Lefloc-Pignel die wahre Natur ihrer Tochter durchschaut hatte: Hortense fühlte sich geschmeichelt, und von nun an wäre er in ihren Augen einfach perfekt.
»Sie studieren Modedesign, habe ich gehört?«
Woher weiß er das?, fragte sich Joséphine.
»Ja. In London.«
»Falls ich Ihnen irgendwie helfen kann, lassen Sie es mich wissen, ich kenne viele Leute aus diesem Bereich. In Paris, London, New York …«
»Vielen Dank. Ich werde darauf zurückkommen. Verlassen Sie sich darauf! Ich muss mich
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