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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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wirst es schaffen«, sagte Joséphine leise und mit einem bewundernden Blick, den sie gleich wieder dämpfte, aus Angst, Hortense damit auf die Nerven zu gehen.
    »Zumindest werde ich alles dafür tun.«
    »Und triffst du dich ab und zu mit Shirley und Gary?«
    »Ich treffe mich mit niemandem. Ich arbeite Tag und Nacht. Ich habe keine freie Minute mehr …«
    »Können wir trotzdem irgendwann zusammen abends essen gehen?«
    »Wenn du möchtest … aber nicht zu spät. Ich muss schlafen, ich bin fix und fertig. Du hast dir keinen guten Zeitpunkt ausgesucht, um mich zu besuchen.«
    Hortense wirkte abwesend. Joséphine versuchte, ihre Aufmerksamkeit zu fesseln, indem sie ihr von Zoé erzählte, von dem Mord an Mademoiselle de Bassonnière und von ihrem neuen Hausgenossen Du Guesclin. Hortense hörte ihr zu, aber ihr Blick verriet ein höfliches Desinteresse, das deutlich erkennen ließ, dass sie in Gedanken ganz woanders war.
    »Ich bin froh, dich zu sehen«, sagte Joséphine seufzend und legte eine Hand auf die ihrer Tochter.
    »Ich auch, Maman. Ehrlich. Ich bin nur so müde und kann an gar nichts anderes mehr denken als an diese Modenschau … Es ist eine erschreckende Vorstellung, dass ein paar Minuten über dein ganzes Leben entscheiden sollen! Alles, was in London Rang und Namen hat, wird da sein, und ich will mich nicht blamieren.«
    Beim Abschied vereinbarten sie, dass sie am nächsten Tag zusammen essen würden. An diesem Abend hatte Hortense einen Termin mit einem Beleuchter wegen der Modenschau und musste noch ein paar Kleinigkeiten an zwei Entwürfen ändern.
    »Wir könnten uns in der Osteria Basilico treffen, das ist ganz in der Nähe deines Hotels. Um sieben Uhr? Ich will nicht zu spät ins Bett.«
    Du bist es nicht wert, hörte Joséphine, doch sie riss sich zusammen. Was ist denn nur los mit mir? Rebelliere ich jetzt gegen alles und jeden? Dann ertrage ich bald niemanden mehr um mich!
    »Wunderbar«, sagte sie, während ihre Tochter sie flüchtig küsste. »Bis morgen!«
    Sie ging zu Fuß zum Hotel zurück und betrachtete die Schaufenster. Dachte über ein Geschenk für Hortense nach. Als kleines Mädchen war sie so ernsthaft, dass ihr Vater und ich uns, verglichen mit ihr, manchmal wie Kinder vorkamen. Sie entdeckte einen Pullover. Sie hat einen so guten Geschmack, ich will ihr nichts Falsches schenken, ich wünsche mir so sehr, dass sie Erfolg hat, ihr Vater wäre stolz auf sie. Was machte er in Lyon? War er vor oder nach dem Mord an Mademoiselle de Bassonnière dorthin gefahren? Sie hatte nichts mehr von Capitaine Gallois gehört, die Ermittlungen drehten sich im Kreis. Sie könnte mit Shirley zu Abend essen, ja, aber dann würde sie reden müssen, und sie sehnte sich nach Ruhe, nach Stille, nach Einsamkeit, du bist nie allein, nutz die Gelegenheit, beobachte die Straßen, die Menschen, lass deinen Kopf ganz leer werden. Sie bemerkte ein junges Mädchen, das die Schuhe der Passanten putzte, sie hatte zarte Hände und ein Kinderprofil, und ein Schild zu ihren Füßen verkündete: SCHUHE 3,50 £, STIEFEL 5 £. Sie lachte und rieb sich mit ihrem einzigen sauberen Finger die Nasenspitze. Das muss eine Studentin sein, die arbeitet, um ihr Zimmer zu bezahlen, die Wohnungen sind so teuer in dieser Stadt, Hortense scheint gut zurechtzukommen, sie wohnt in einem schönen Viertel, und was ist mit Philippe?
    Sie ging die Regent Street hoch. Auf den Bürgersteigen drängten sich Passanten, Sandwich-Men mit Werbetafeln auf dem Rücken und vor der Brust, Touristen, die begeisterte Rufe ausstießen und Fotos machten. Über den Gebäuden sah sie Dutzende von Kränen. Die ganze Stadt war eine einzige Baustelle, die sich auf die Olympischen Spiele vorbereitete. Metallgerüste, Absperrzäune, Betonmischer und Arbeiter mit Helmen auf dem Kopf versperrten die Straßen. Sie bog nach links in die Oxford Street ein, morgen gehe ich ins British Museum und in die National Gallery, morgen rufe ich Shirley an …
    Die Zeit nutzen, die Gelegenheit nutzen, auf die neuen Klänge in meinem Kopf hören. Klänge des Ärgers, des Zorns. Warum weist Hortense mich zurück? Ist sie wirklich zu nervös, oder schämt sie sich für mich? »Alles, was in London Rang und Namen hat, wird da sein …«
    Sie schüttelte den Kopf und betrat einen Buchladen.
    Abends aß sie allein, mit einem Buch. Die Kurzgeschichten von Saki in der Penguin-Ausgabe. Sie liebte Sakis Stil, seinen trockenen, sarkastischen Ton. » Reginald closed his eyes with the

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