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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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sie früher, wenn sie mit Hortense im Park spazieren ging, auch in den Augen der anderen Mütter gesehen hatte, die sie für das Kindermädchen hielten. Als wäre es undenkbar, dass sie und ihre Tochter miteinander verwandt waren.
    Verlegen wich sie zurück und wiederholte: »Ich bin ihre Mutter. Ich bin aus Paris hergekommen, um sie zu besuchen, und würde sie gerne überraschen.«
    »Sie müsste gleich kommen, ihr Unterricht endet um Viertel nach eins …«, antwortete die Frau, nachdem sie einen Blick in ein Verzeichnis geworfen hatte.
    »Dann warte ich auf sie …«
    Sie ging zu einem beigefarbenen Stuhl, setzte sich hin und fühlte sich beige. Sie hatte Angst. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, Hortense zu überraschen. Der Blick der Frau hatte alte Erinnerungen wachgerufen, Hortenses missbilligende Blicke auf ihre Kleidung, wenn sie sie von der Schule abholte, der kleine Abstand, den sie auf der Straße zu ihrer Mutter wahrte, und das entnervte Seufzen ihrer Tochter, wenn sich Joséphine mit einer Verkäuferin unterhielt: »Wann hörst du endlich auf, zu ALLEN nett zu sein! Das ist so nervig! Man könnte ja meinen, diese Leute wären unsere Freunde!«
    Sie wollte schon fast wieder gehen, als Hortense in die Eingangshalle kam. Allein. Das Haar mit einem breiten schwarzen Band zurückgenommen. Blass. Mit gerunzelter Stirn. Offensichtlich über ein Problem grübelnd. Den Jungen ignorierend, der hinter ihr herlief und in der ausgestreckten Hand ein Blatt hielt, das sie fallen gelassen hatte.
    Joséphine stellte sich ihrer Tochter in den Weg.
    »Liebes …«, sagte sie leise.
    »Maman! Ich bin ja so froh, dich zu sehen!«
    Sie wirkte tatsächlich erfreut, und Joséphine begann vor Glück zu schweben. Sie bot Hortense an, ihr den Stoß Bücher abzunehmen, den sie unter dem Arm trug.
    »Nein! Lass! Ich bin kein kleines Kind mehr!«
    »Das hast du fallen lassen!«, rief der Junge schrill und hielt ihr das Blatt hin.
    »Danke, Geoffrey.«
    Er wartete darauf, dass Hortense ihn vorstellte. Sie ließ ein paar Sekunden verstreichen und gab sich geschlagen: »Maman, das ist Geoffrey. Er ist in meiner Klasse …«
    »Sehr erfreut, Geoffrey …«
    »Sehr erfreut, Madame … Hortense und ich sind …«
    »Ein andermal, Geoffrey! Wir haben nicht ewig Zeit, in einer Stunde geht der Unterricht wieder los!«
    Sie wandte ihm den Rücken zu und zog ihre Mutter mit sich.
    »Er scheint sehr nett zu sein«, sagte Joséphine und wandte den Kopf, um sich von dem Jungen zu verabschieden.
    »Eine furchtbare Klette! Und null kreativ! Ich gebe mich mit ihm ab, weil er eine große Wohnung hat, und ich möchte, dass er mir nächstes Jahr ein günstiges Zimmer vermietet, aber erst muss ich ihn noch dressieren, damit er sich keine falschen Hoffnungen macht …«
    Sie gingen in einen Coffeeshop in der Nähe der Schule, und Joséphine betrachtete ihre Tochter genauer. Sie hatte Ringe unter den Augen und sah erschöpft aus, aber ihr Haar hatte immer noch seine schöne Farbe wie frisch aus einer Shampoowerbung.
    »Ist alles in Ordnung, Schatz?«
    »Besser wäre nicht auszuhalten! Und bei dir? Was machst du in London?«
    »Ich bin hergekommen, um meinen englischen Verleger zu treffen … Und dich zu überraschen. Du siehst müde aus.«
    »Ich schufte ununterbrochen! Ende der Woche findet die Modenschau statt, und ich bin noch lange nicht fertig. Ich arbeite Tag und Nacht.«
    »Möchtest du, dass ich hierbleibe und bei der Modenschau zusehe?«
    »Nein, lieber nicht. Das würde mich nur nervös machen.«
    Joséphine spürte einen Stich in ihrem Herzen. Ein gehässiger Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Ich bin ihre Mutter, ich bezahle ihr Studium, und ich soll nicht dabei sein dürfen! Das ist doch wohl die Höhe! Sie war entsetzt über ihre heftige Reaktion und stellte hastig irgendeine Frage, um ihre Verwirrung zu überspielen.
    »Und was ist der Zweck dieser Modenschau?«
    »Um endlich richtig an dieser renommierten Schule aufgenommen zu werden! Du weißt doch, im ersten Jahr wird ausgesiebt. Es kommen nur sehr wenige Studenten weiter ins zweite Jahr, und ich möchte unbedingt zu den Auserwählten gehören …«
    Ihr Blick war hart geworden und bohrte sich durch die Luft, als wollte sie sie in ihre Einzelteile auflösen. Sie ballte die Fäuste. Joséphine musterte sie verblüfft: diese Entschlossenheit, diese Energie! Und sie war gerade erst achtzehn! Die überwältigende Liebe zu ihrer Tochter wischte allen Groll beiseite.
    »Du

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