Der langsame Walzer der Schildkroeten
von der Tür weg, ich versuche, sie einzutreten …«
»Doch … Er ist verrückt.«
»Bist du weg, Jo?«
Joséphine trat zwei Schritte zurück und hörte das Geräusch eines Körpers, der gegen das Holz prallte. Die Tür bebte, aber sie gab nicht nach.
»Verdammt!«, schrie Philippe. »Ich schaffe es nicht! Ich versuche es an der Hintertür …«
»Philippe!«, rief Joséphine. »Sei vorsichtig! Er kommt, so glaub mir doch!«
»Jo, beruhige dich! Du steigerst dich da in etwas hinein!«
Sie hörte seine Schritte auf dem Kies. Er entfernte sich. Sie wartete und biss sich auf die Finger. Luca würde kommen, sie würden miteinander kämpfen, und sie würde nichts tun können. Sie nahm ihr Handy aus der Tasche, um die Feuerwehr zu rufen. Doch sie war so nervös, dass ihr die Nummer nicht mehr einfiel. Dann ging ihr Handy aus. Der Akku war leer.
Die Schritte kehrten zurück. Sie ging ans Fenster und sah Philippe im Licht der Scheinwerfer. Sie winkte ihm zu. Er kam zu ihr.
»Nichts zu machen. Es ist alles verriegelt! Beruhige dich, Jo«, sagte er und legte eine Hand an die Scheibe.
Nur durch das Glas von ihm getrennt, legte sie ihre Hand auf die seine.
»Er macht mir Angst! Ich habe dir neulich in London nicht alles erzählt. Dazu war keine Zeit. Aber er ist verrückt und gewalttätig …«
Sie musste laut reden, damit er sie hörte.
»Er wird uns nichts tun! Beruhige dich!«
Er ging wieder zur Tür und rammte mehrmals seine Schulter gegen das Holz, doch sie gab nicht nach. Dann kam er zurück ans Fenster.
»Siehst du, er wäre nicht reingekommen …«
»Doch. Über das Dach!«
»Mitten in der Nacht? Dabei wäre er abgestürzt! Er hätte warten müssen, bis es hell wird, und bis dahin hättest du genug Zeit gehabt, Hilfe zu rufen.«
»Mein Akku ist leer!«
Sie hörte, wie er sich gegen die Tür sinken ließ.
»Ich werde die Nacht wohl hier draußen verbringen müssen …«
»O nein«, stöhnte Joséphine.
Sie setzte sich ebenfalls vor die schwere Holztür. Kratzte mit einem Fingernagel daran, als wollte sie ein Loch hindurchgraben. Kratzte, kratzte.
»Philippe? Bist du da?«
»Ich werde Rost ansetzen, wenn ich die Nacht über draußen bleibe!«
»Die Zimmer stehen unter Wasser, und vom Dach ist kaum noch etwas übrig. Ich schlafe im Wohnzimmer auf dem großen Sofa, mit Du Guesclin …«
»Ist das eine Rüstung?«
»Er ist mein Beschützer.«
»Guten Abend, Du Guesclin!«
»Er ist ein Hund.«
»Ach so …«
Er musste seine Position verändern, denn sie hörte, wie er sich auf der anderen Seite der Tür bewegte. Sie stellte sich vor, wie er dasaß, die Beine unters Kinn gezogen, die Arme um die Knie geschlungen, den Kragen hochgeschlagen. Es hatte aufgehört zu regnen. Sie hörte nur noch den Wind, der gebieterisch durch die Bäume pfiff.
»Siehst du, er kommt nicht«, sagte Philippe nach einer Weile.
»Ich habe die SMS doch nicht erfunden! Ich werde sie dir zeigen …«
»Die hat er geschickt, um dich in Panik zu versetzen. Er ist gekränkt oder wütend, weil du ihn abserviert hast, und will sich so an dir rächen.«
»Ich sage dir doch, er ist verrückt. Verrückt und gefährlich … Ich darf gar nicht daran denken, dass ich Garibaldi nichts gesagt habe! Antoine habe ich verraten, aber ihn, ihn habe ich geschützt! Ich bin so eine Idiotin, eine dämliche Idiotin!«
»Ach was … Du bist völlig umsonst in Panik geraten. Und selbst wenn er kommt, trifft er erst einmal auf mich, das wird ihn schon wieder beruhigen. Aber er wird nicht kommen, da bin ich mir ganz sicher …«
Sie lauschte seinen Worten, und ein friedvolles Gefühl senkte sich auf sie herab. Sie ließ den Kopf gegen die Tür sinken und atmete ruhig ein. Er war da, gleich dahinter. Sie hatte nichts mehr zu befürchten. Er war gekommen, allein. Ohne Dottie Doolittle.
»Jo?« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Bist du mir böse?«
»Warum hast du nicht angerufen?«, fragte Joséphine, den Tränen nahe.
»Weil ich ein Vollidiot bin …«
»Es ist mir egal, wenn du noch andere Frauen hast, weißt du. Du brauchst es mir nur zu sagen. Niemand ist perfekt.«
»Ich habe keine anderen Frauen. Ich habe mich in meinen Gefühlen verheddert.«
»Es gibt nichts Schlimmeres als Schweigen«, sagte Joséphine leise. »Man stellt sich alles Mögliche vor, und alles wird bedrohlich. Man hat überhaupt keinen Anhaltspunkt, nicht einmal den kleinsten Zipfel Realität, über den man wütend werden könnte. Ich hasse
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