Der langsame Walzer der Schildkroeten
zitterte so stark, dass sie sich nicht mehr vom Fenster lösen konnte. Er wird hereinkommen, er wird mich umbringen, Iris geht nicht ans Telefon, Garibaldi hat keine Ahnung, Philippe sitzt lachend mit Dottie Doolittle in einem Pub, ich werde ganz allein sterben. Meine Mädchen, meine kleinen Mädchen …
Dicke Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie wischte sie mit dem Handrücken weg. Du Guesclin spitzte die Ohren. Hatte er etwas gehört? Er begann zu bellen.
»Sei still, sei still! Gleich bemerkt er uns noch!«
Er bellte immer lauter, rannte im Wohnzimmer im Kreis, richtete sich vor dem Fenster auf und legte die Vorderpfoten an die Scheibe.
»Lass das! Er wird uns sehen …«
Sie riskierte einen Blick nach draußen und sah ein Auto, das mit eingeschalteten Scheinwerfern die Auffahrt entlanggefahren kam. Der Lichtstrahl fiel in den Raum, und sie warf sich flach auf den Boden. Mein Gott! Mein Gott! Papa, beschütze mich, beschütze mich, ich will nicht leiden, mach, dass er mich gleich umbringt, mach, dass es nicht wehtut, ich habe Angst, oh, ich habe solche Angst …
Du Guesclin bellte, hechelte, prallte im Dunkeln gegen die Möbel. Joséphine fand den Mut, sich aufzurichten, und suchte nach einem Versteck. Die Waschküche fiel ihr ein. Sie verfügte über eine dicke, abschließbare Tür. Hoffentlich ist mein Akku noch nicht ganz leer! Ich rufe Hortense an. Sie wird wissen, was ich tun soll. Sie gerät nie in Panik, sie wird sagen: Keine Angst, Maman, ich kümmere mich darum, ich rufe die Polizei, das Wichtigste in solchen Situationen ist, sich nicht anmerken zu lassen, dass man Angst hat, versuch, dich zu verstecken, und wenn das nicht geht, dann rede mit ihm, lenk ihn ab, sprich ruhig und gelassen mit ihm, beschäftige ihn so lange, bis die Polizei kommt … Sie würde Hortense anrufen.
Immer noch auf allen vieren, kroch sie auf die Waschküche zu. Du Guesclin blieb vor der Haustür stehen, den Kopf gesenkt, die Schultern nach vorn geschoben, als wollte er auf den Gegner losgehen. »Komm«, flüsterte sie, »wir ziehen uns zurück«, aber er blieb auf seinem Posten, lauernd, drohend, mit Schaum vor dem Maul und gesträubtem Fell.
Sie hörte Schritte auf dem Kies. Schwere Schritte. Der Mann war sich seiner Sache sicher, er war sich sicher, sie hier vorzufinden. Er kam näher. Sie hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Ein Riegel, zwei Riegel, drei Riegel …
Eine laute Stimme ertönte: »Ist da jemand?«
Es war Philippe.
Eines Morgens wachte Iris auf und sah ihn am Fußende ihres Bettes stehen. Sie zuckte zusammen. Sie hatte den Wecker nicht gehört! Sie hob keinen Arm, um sich vor dem Peitschenhieb zu schützen, mit dem sie für ihren Fehler bestraft werden würde. Sie schloss die Augen und wartete.
Er schlug sie nicht. Erwähnte keinen Verstoß gegen die Regeln. Er kam um das Bett herum, bog die Reitgerte, ließ sie durch die Luft zischen und erklärte: »Heute werden Sie nichts essen. Ich habe Schinken und Reis auf den Tisch gestellt, aber Sie dürfen nichts davon anrühren. Die Scheiben sind sehr appetitlich. Es ist guter Schinken in schönen, dicken Scheiben, und sein Duft wird Sie in Versuchung führen. Sie werden den ganzen Tag über auf Ihrem Stuhl sitzen und in Ihrem Gebetbuch lesen, und ich werde heute Abend hochkommen und kontrollieren, ob die Scheiben unversehrt sind. Sie sind schmutzig. Es ist mehr zu tun, als ich dachte. Wir müssen Sie gründlich reinigen, damit sie eine schöne Braut werden.«
Er kam ein paar Schritte näher. Hob mit der Spitze der Gerte die Tagesdecke an, um zu kontrollieren, ob der Boden auch sauber war. Ließ sie zufrieden wieder sinken.
»Sie werden selbstverständlich putzen wie an jedem Morgen, aber Sie werden nichts essen. Zwei Gläser Wasser sind Ihnen gestattet. Ich habe sie auf den Tisch gestellt. Wenn Sie sie trinken, stellen Sie sich die Quelle vor, die fließt und Sie reinigt. Wenn Sie alles geputzt haben, setzen Sie sich auf Ihren Stuhl, wo Sie lesen und auf mich warten werden. Ist das klar?«
Sie stöhnte »Ja, Herr« und spürte, wie der Hunger, der sie schon seit dem Vortag quälte, wie ein Tier in ihrem Bauch erwachte.
»Um zu überprüfen, ob Sie tatsächlich gehorsam sitzen bleiben und Ihr Gebetbuch lesen, werde ich Ihnen ein Gebet anweisen, das Sie auswendig lernen und mir OHNE EINEN EINZIGEN FEHLER aufsagen werden, denn auch nur das geringste Stocken wird bestraft werden, und zwar gnadenlos. Verstanden?«
Sie senkte den Blick und
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