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Der langsame Walzer der Schildkroeten

Der langsame Walzer der Schildkroeten

Titel: Der langsame Walzer der Schildkroeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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ihn ermittelt haben?«, fragte Joséphine.
    »Kein Kommentar, Madame Cortès. Ende des Gesprächs.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass Sie den Mörder kennen …«
    Er hatte aufgelegt. Nachdenklich kehrte sie zu Philippe und Monsieur Fauvet zurück, die das Dach in Augenschein nahmen und eine Liste der anfallenden Reparaturen aufstellten.
    Als Philippe neben sie trat, sagte sie leise: »Ich glaube, sie haben den Mörder verhaftet …«
    »Ist er deshalb nicht gekommen? Sie haben ihn noch rechtzeitig abgefangen …«
    Er legte einen Arm um ihre Schultern und murmelte, sie solle das alles vergessen. Dann fügte er hinzu, dass sie ihre Versicherung wegen des Wagens benachrichtigen müsse.
    »Du hast doch eine gute Versicherung?«
    »Ja. Aber das ist meine geringste Sorge. Ich sehe überall Gefahr … Was, wenn sie ihn nicht rechtzeitig verhaftet haben? Was, wenn er uns verfolgt? Er ist gefährlich …«
    Sie fuhren nach Étretat. Verkrochen sich in einem Hotel. Verließen das Zimmer nur, um Kuchen zu essen und Tee zu trinken. Manchmal dachte Joséphine mitten in einem Satz an Luca. An all die Geheimnisse in seinem Leben, an sein Schweigen, an die Distanz, die er immer zwischen ihnen gewahrt hatte. Sie hatte das für Liebe gehalten. Dabei war es nur Wahnsinn. Nein, korrigierte sie sich, eines Abends hätte er fast mit mir geredet, hätte mir alles gestanden, und vielleicht hätte ich ihm helfen können. Sie erschauerte. Ich habe mit einem Mörder geschlafen! Schweißgebadet schreckte sie nachts hoch. Philippe beruhigte sie mit sanfter Stimme, »ich bin da, ich bin ja da«, und sie schlief weinend wieder ein.
    Es regnete ohne Unterlass. Vom Bett aus sahen sie zu, wie der Regen in langen, schrägen Linien gegen die Scheibe schlug. Du Guesclin seufzte, wechselte seine Position und schlief wieder ein.
    Sie beschlossen, ohne Eile nach Paris zurückzukehren.
    »Sollen wir über die Nebenstraßen fahren?«, fragte Philippe.
    »Ja.«
    »Und uns auf den Nebenstraßen verirren?«
    »Ja. So haben wir mehr Zeit zusammen!«
    »Von jetzt an werden wir alle Zeit zusammen verbringen, Jo!«
    »Ich bin so glücklich, am liebsten würde ich eine Möwe einfangen und ihr mein Geheimnis ins Ohr flüstern, damit sie es mit hinauf in den Himmel nimmt …«
    Es regnete so stark, dass sie sich verfuhren. Joséphine drehte die Landkarte in sämtliche Richtungen. Philippe lachte und versicherte ihr, dass er sie niemals als Beifahrerin auf eine Rallye mitnehmen würde.
    »Darauf kann man ja auch überhaupt nichts erkennen! Ach, dann eben nicht! Lass uns auf eine große Straße zurückfahren!«
    Sie durchquerten kleine Dörfer, die sie durch den hektischen Pas de deux der Scheibenwischer hindurch kaum erkennen konnten, und kamen schließlich in einen Weiler namens Le Floc-Pignel. Philippe stieß einen Pfiff aus.
    »Na so was! Der Mann ist ja ein ganz hohes Tier. Sogar ein Dorf trägt seinen Namen!«
    Im Schritttempo fuhren sie über die Hauptstraße. Joséphine bemerkte einen alten Laden, von dessen Fassade die Farbe abblätterte. Über der Tür las sie in fast völlig verblasster grüner Schrift auf weißem Grund Imprimerie Moderne .
    »Philippe! Halt an!«
    Er fuhr an den Straßenrand. Joséphine stieg aus und ging zu dem Haus hinüber. Sie sah Licht und winkte Philippe, ihr zu folgen.
    »Wie hieß er noch?«, murmelte sie vor sich hin, während sie versuchte, sich Lefloc-Pignels Worte in Erinnerung zu rufen.
    »Wer?«, fragte Philippe.
    »Der Drucker, der Lefloc-Pignel bei sich aufgenommen hat … Sein Name liegt mir auf der Zunge!«
    Er hieß Graphin. Benoît Graphin. Ein alter Mann, den die Jahre mit Raureif überzogen hatten. Verwundert führte er sie in einen großen Raum voller Maschinen, Bücher, Leimtöpfe und Druckplatten.
    »Entschuldigen Sie die Unordnung«, sagte der alte Mann. »Ich habe nicht mehr die Kraft, noch aufzuräumen …«
    Joséphine stellte sich vor, und kaum hatte sie den Namen Hervé Lefloc-Pignel erwähnt, leuchteten die Augen des Mannes auf.
    »Tom«, sagte er leise, »der kleine Tom …«
    »Sie meinen Hervé?«
    »Ich nannte ihn Tom, wie Tom Sawyer …«
    »Dann stimmt es also, was er mir erzählt hat, Sie haben ihn aufgenommen und großgezogen …«
    »Aufgenommen ja. Großgezogen nein. Dazu hat sie mir nicht die Zeit gelassen …«
    Er holte eine Kanne von dem alten Herd und bot ihnen Kaffee an. Er ging gebückt und schlurfte mit den Füßen über den Boden. Er trug eine alte Wolljacke, eine abgewetzte Cordhose und

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