Der Lauf in die Vergangenheit: Teil 1 (German Edition)
werde freundlich und zuvorkommend zu ihr sein. Ich bin euch sehr dankbar, dass ihr mir helft, auch wenn ich noch nicht weiß, wer ihr genau seid. Gestattet mir aber noch eine Frage.“
„ Gerne, was möchtest du wissen.“
„ Wer ist im Moment Kaiser in Rom?“
Immanuel schaute mich erstaunt an. „Ich bin ein wenig überrascht, dass ihr dies als Ägypter nicht wisst. Seit kurzer Zeit haben wir einen Kaiser, der es uns hier in Judäa, am schwersten macht. Es ist Kaiser Vespasian, der nun in Rom regiert.“
Nun war es heraus. Vespasian, der Nachfolger Vitellius. Ich war froh, dass ich in römischer Geschichte aufgepasst hatte, in meiner lang vergangenen Studienzeit. Jetzt konnte ich auch das Jahr schätzen, in dem ich mich befand. Es musste die Zeit zwischen 69 und 76 n. Chr. sein.
„ Ich danke dir, Immanuel. In Ägypten kommen viele Nachrichten meist sehr spät an. Ich denke, ich war in letzter Zeit zu sehr mit meinen Studien beschäftigt und habe den Namen einfach vergessen. Vielleicht ist auch die Kopfwunde schuld daran.“
Immanuel lächelte freundlich und sagte: „Tom, ich muss jetzt gehen. Du kannst dich im Lager frei bewegen. Vergiss nicht, du bist unser Gast und nicht unser Gefangener.“
Ich nickte dankbar. Er schritt aus dem Zelt und ließ mich mit meinen Gedanken zurück. Ich versuchte zum wiederholten Mal wieder diese Sandalen zu binden. Da ich immer noch meine verletzte Schulter spürte, bereitete mir das Binden Probleme. Offenbar hatte ich an der Schulter doch einen größeren Schlag abbekommen, an den ich mich aber nicht mehr erinnern konnte. Ich stand vorsichtig auf, stütze mich mit den Händen an den Stühlen etwas ab und bewegte mich wackelig auf den Beinen langsam nach draußen. Es war früher Nachmittag und die Sonnenstrahlen wärmten mein Gesicht. Ich roch die frische Luft, die vom Roten Meer kam und den Duft der Pflanzen, die hier überall wuchsen. In der Nähe lag eine Ebene, die man einsehen konnte. Ich konnte erkennen, dass etwa 100 Zelte aufgeschlagen waren. Das war aber nur eine grobe Schätzung, vielleicht waren es auch mehr. Ich schaute nach rechts und sah eine große Anzahl an Pferden, die in einem weitläufigen Areal untergebracht waren. Die Umgebung erinnerte mich an einen überdimensionalen Campingplatz. Ich drehte mich nach links und schritt langsam an den Zelten vorbei. Mir fiel sofort auf, dass nur sehr wenige Kinder spielten. Viele Frauen waren mit der Reinigung und der Reparatur von Lederuniformen beschäftigt, die Männer mit dem Schärfen ihrer Schwerter und dem Herstellen von Pfeilen. Ich konnte das Schlagen eines Schmiedehammers hören und ich konnte mir gut vorstellen, dass er nicht nur Hufe beschlug. Ich war also in einem Lager von Freiheitskämpfern, die einen nicht endenden Kampf gegen die Römer führten angekommen. Mit jedem Schritt den ich ging, stärkte sich meine Muskulatur und ich spürte, wie ich meine Lebensgeister zurückbekam. Nachdem ich fast eine Stunde durch den Bereich landeinwärts des Lagers gelaufen war und mich ausgiebig umgeschaut hatte, zwang mich meine Müdigkeit zur Rückkehr. Um mich zu schonen, kehrte ich um und ging zum Zelt zurück.
Elena empfing mich strahlend am Zelteingang und sagte: „Ich sehe, du warst etwas spazieren. Das ist sehr gut, denn so kommst du wieder schnell zu Kräften.“
Die Luft und die Sonne taten mir wirklich gut. Elena merkte aber auch meine Unzufriedenheit mit der Situation.
„ Tom, du darfst nicht vergessen, dass du einige Tage bewusstlos warst. Du wirst noch eine geraume Zeit benötigen, bis du wieder völlig zu Kräften kommst. Komm ich begleite ins Zelt und setze dich auf dein Bett. Ich bringe dir etwas zu trinken.“
Sie begab sich in den hinteren Teil des großen Zeltes und holte einen Becher Wasser. Ich bewegte mich in der Zwischenzeit etwas wackelig auf mein Feldbett zu und setzte mich vorsichtig hin. Rechts von mir lag ein kleiner Spiegel und ich erschrak als ich mein Gesicht erblickte. Erst jetzt sah ich die vielen feinen Kratzer, die ich beim Abtasten gar nicht gespürt hatte. Die Platzwunde war sehr geschickt genäht worden, sofern ich das als Nichtmediziner beurteilen konnte. Im Moment würde mich keiner meiner Freunde sofort erkennen.
„ Du schaust so seltsam in den Spiegel, Tom. Was ist mir dir?“ fragte sie mich.
Ich hatte Elena nicht so schnell bei mir erwartet. „Es ist lange her, dass ich in einen Spiegel geschaut habe. Ich war nur sehr erschrocken, dass ich mich in diesem Sturm so
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