Der Lavagaenger
Malinowski, zur Sprache bringen.
Keola, der noch am selben Tag die Insel mit einem Kanu verließ, wollte Hans Kaspar in der Untersuchungshaft besuchen, was ihm aber verweigert wurde. Dies geschehe, da der Angeklagte sehr gefährlich sei, zu Keolas eigenem Schutz.
Der Anwalt, den Keola ausfindig machte, wirkte verstört. Ja, Hans Kaspar säße in Einzelhaft, streng isoliert. Merkwürdigerweise, so der Anwalt nicht ohne zynisches Auflachen, sei er dennoch vorletzte Nacht von Mithäftlingen halb totgeprügelt worden. Auch mein Büro, sagte der Anwalt, hat man durchwühlt.
Der Anwalt nahm Keolas Aussage zu Protokoll, riet ihm aber dringend, sich erst am Gerichtstag persönlich den Behörden als Zeuge zur Verfügung zu stellen. Doch sollte es zu keinem Prozess kommen.
Denn als der Staatsanwalt von Keolas Aussage Kenntnis erhielt, ließ er die Anklage fallen, da weder von Mord oder Totschlag, ja nicht einmal von Körperverletzung die Rede sein konnte. Mögliche moralische Verfehlungen seien nicht sein Ressort.
Hans Kaspars Anwalt, von einigen Journalisten bedrängt, versprach sensationelle Enthüllungen, über die er selber nur Vermutungen anstellen könne, und lud zu einer Pressekonferenz. Wer aber zu diesem Termin nicht erschien, war Hans Kaspar.
Wie für diesen Fall vereinbart, zog der Anwalt einen verschlossenen Umschlag aus seiner Aktenmappe und öffnete ihn vor den Augen der versammelten Journalisten. Der Anwalt verlas eine Erklärung Hans Kaspars, worindieser nur kurz die Vorgänge auf der
Rutas
streifte, um sich im Wesentlichen mit den Umständen zu beschäftigen, die zu Siyakuu Malinowskis Tod geführt hatten.
Die Zeitungen schrieben am nächsten Tag von einem tragischen Unglücksfall, nahmen Hans Kaspars Erklärung ansonsten zum Anlass zu fragen:
Wann ist Stalins Bombe fertig?
Der für die nuklearen Versuche zuständige Regierungsbeamte war einigermaßen überrascht, als er erfuhr, dass der Fall »Rutas« eine derartige, für die Vereinigten Staaten positive Wendung genommen hatte, da er in der öffentlichen Meinung die Notwendigkeit der amerikanischen Tests anschaulich machte. Blieb eine letzte Frage zu klären, ob die Sache mit der
Rutas
nicht ein raffinierter Spionagecoup der Roten gewesen war.
Edvard Malinowski sah sich am Ziel seines Lebens, als er, einer lokalen Legende nachforschend, auf einem Eiland das kaum einen Meter große Skelett eines Menschen entdeckte.
Menehune, sagenhafte Wesen von kindlich kleiner Gestalt. Die alte Frau in einem der Dörfer beschwor, dass ihr Großvater ihnen selber noch begegnet sei. Sie stahlen und trieben allerhand Schabernack, zu intelligent, um sich fangen zu lassen. Einem Mann, der einen der Kleinen mit einem Steinwurf verletzt habe, hätten sie in der darauffolgenden Nacht derart zugesetzt, dass er in Panik davongelaufen und von einem Felsen gestürzt sei. Dem Großvater aber, der ihnen jeden Abend eine Schale mit Kokosmilch hingestellt habe, hätten zwei, als er sich im Dschungel verirrt habe, geholfen. Sie hätten sich erst in einer Art Murmelsprache beratschlagt, um ihm dann in deutlichen Menschenworten den Weg zu weisen.
Auf einer kleinen Insel im Nordwesten des Archipels, wegen ihrer runden Form Pilo, der Nabel, genannt, berichtetedie Alte, sollen noch vor wenigen Jahren Kindermenschen gelebt haben.
So saß Malinowski nun mit Schäufelchen und Pinsel vor seiner Fundstätte und hielt einen Schädel von der Größe einer Grapefruit in der Hand: Homo rutensis, murmelte er, Mensch von Rutas. Sogleich fügte seine Phantasie diesen Fund in seine These vom Urkontinent Rutas ein. Es schien ihm logisch, dass ein derart kleiner Mensch in der Evolution dem Homo sapiens und selbst dem Homo erectus vorangegangen war, dass diese also erst mit dem Auseinanderbrechen und -driften des Urkontinents sich über die Welt verbreitet hätten.
Nun, Malinowski sollte nicht dazu kommen, mit seinem Fund die wissenschaftliche Welt in Aufruhr zu versetzen. Vielmehr dienten die Nachrichten von der Pazifiküberquerung durch die
Rutas
jenen als Argument, die eine Besiedlung Polynesiens von Asien her favorisierten. Dass Malinowski seine eigene Theorie damit selbst überholt hatte, bereitete ihm angesichts des Kindermenschenschädels wenig Kopfzerbrechen. Mit Genugtuung allerdings nahm er zur Kenntnis, dass die Expedition seines Widersachers Zumpfhagen vor den Galapagosinseln gescheitert war. Als der Norweger Heyerdahl unabhängig davon ein Jahr später mit einem Floß von Peru aus
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