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Der Lavagaenger

Titel: Der Lavagaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Stoeckel
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abzulegen. Kurz darauf kippte die
Roosevelt
endgültig und versank.
    Uns nahm später ein Walfänger auf. Und Hans … Ich verstand es nicht. Mir war unbegreiflich, weshalb er für ein Paar Schuhe sein Leben riskiert und, wie es aussah, verloren hatte. Sicher, er hatte mir einmal von einem Derwisch erzählt. Der hätte sie ihm geschenkt und behauptet, sie trügen ihn zu seiner Liebe. Doch was würden sie ihm auf dem Grund des Meeres nützen? Nichts.
    Nun sitzen Sie hier in meiner Stube, mit seinen merkwürdigen Schuhen an den Füßen, und wollen nach Hawaii.
    Helder hob unsicher die Schultern. Das mit Hawaii hatte man ihm erzählt. Und er erzählte es weiter. Und geradehatte ihm wieder einer etwas erzählt. Der Großvater, der eben noch wie ein Schatten am Tisch Platz genommen hatte, dessen Gesicht hinter dem aufsteigenden Dampf des Teekochers sichtbar zu werden begonnen hatte, dieser Großvater entzog sich wieder, wurde zu einem Verwandtschaftsbegriff inmitten anderer Begriffe, die alle möglichen Realitäten beschrieben, doch nicht das, was er suchte.
    Unverständlich noch immer das Schweigen der Familie. Vor allem, wenn Hans Kaspar tatsächlich, wie er Mo gegenüber angedeutet hatte, einen Polen vor den Nazis gerettet hatte. Einen Widerständler verschwieg man doch nicht, den zeigte man her!
     
    Bevor Helder mit einem Taxi zurück ins Hotel gefahren war, hatte er sich eine Flasche Rotwein besorgt. Nun lag er auf dem Bett, und um ihn her brummte die Stille, vielleicht war es auch die Klimaanlage, die brummte und deren Brummen die Abwesenheit anderer Geräusche innerhalb des Hauses verstärkte. Der Lärm der Stadt umhüllte das Hotel, ein rauschender, dröhnender, heulender Kokon. Später wummerte immer öfter eine der fahrenden Musikanlagen, wie sie junge Männer zu betreiben pflegen, vorüber. Dann fuhr ein Pulk Autos heran, Bremsen quietschten, Türen schlugen. Neugierig und mit dem unterschwelligen, von zahllosen amerikanischen Krimis genährten Gefühl, gleich würden Schüsse knallen, äugte Helder durch die verschmierten Scheiben. Doch nur ein Trupp junger Leute in Rokokokostümen begrüßte johlend einen Herrn mit Dreispitz, der eine Sektflasche schwang.
    Kapitän Cook. Helder kramte in seinem Koffer nach dem Band mit den Logbüchern Cooks. Auf dem Weg zum Flughafen war Helder noch einmal bei seinen Eltern vorbeigefahren, um sich zu verabschieden und auf dem Dachboden nach jenem Buch zu suchen, dessen Lektüre er als Zwölfjähriger begonnen hatte. Mit Cooks
Endeavour
warHenri Helder in den Januar 1769 gesegelt, hatte vor Kap Hoorn die Mannschaft im vereisten Tauwerk klettern sehen und von der Mutter Sauerkraut einzukaufen erbeten, da es, wie Cook erfolgreich bewies, vor Skorbut schützen konnte. Schließlich ging er mit der
Endeavour
auf die Suche nach dem legendären Südland. Zwar war ihm im Gegensatz zur britischen Admiralität, die keinen Erdkundeatlas, Ausgabe für das Schuljahr 1968/69, besaß, die Nichtexistenz eines solchen Kontinents bekannt, dennoch fieberte er mit der Mannschaft, als ein im Meer treibender Baumstamm Land verhieß.
    Allerdings war er während jener Ferientage lediglich bis nach Tahiti gelangt, denn dann war des Vaters moralische Wachsamkeit beim Betrachten der Illustrationen auf eine barbusige Dame gestoßen, und er hatte das Buch konfisziert.
    Natürlich hatten die Bemerkungen Cooks über das zuvorkommende Wesen einiger Insulanerinnen Henris pubertierende Phantasie angeregt. Doch mehr noch hatte ihn die bereits erwähnte Suche nach dem geheimnisvollen Südland in Anspruch genommen.
    Wann, wenn nicht anlässlich einer Reise zu den pazifischen Inseln, war der richtige Zeitpunkt, Cooks Fahrten weiter zu folgen? So war Helder also auf den Dachboden gestiegen und hatte den unteren Schub der wurmstichigen Kommode herausgezogen. Cooks Logbücher lagen, mit Holzmehl überstäubt, auf einem Stapel Grammophonplatten, zwischen Briefen, Postkarten und anderem alten Krempel. Der Vater hatte also das Buch, das aufgrund einer mathematischen Höchstleistung und deren staatsrätlicher Anerkennung in Henris Hände gefallen war, respektvoll, wie ihm in diesem Moment schien, und im Vertrauen auf seine spätere Reife verwahrt, statt es, wie ihm zuzutrauen gewesen wäre, beim Altstoffhandel gegen fünfzehn Pfennige einzutauschen.
    Helder füllte sein Glas erneut mit Rotwein und ließ sich in die Kuhle des Bettes sinken, um zu lesen. Cooks Eintragungen die Existenz eines Südkontinents betreffend

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