Der Lavagaenger
erst die Scheune und dahinter das Wohnhaus, aus dessen Fenster ein spärliches Licht in die Nacht fiel. Als er sich umwandte, war der Fremde verschwunden.
Die Tür zum Farmhaus war offen. Drinnen am Herd stand Mrs. Hayfield und rührte in einem der Töpfe. Am Tisch, über einen Teller Bohnen gebeugt, Salzränder vom Schweiß im Hemd, saß der Major.
Verdammt, Hans, wo sind Sie gewesen? Der Major blickte zur Uhr. Seit einer halben Stunde hätte ich Alarm auslösen müssen.
Ja, das hätte er. Obwohl er dazu erst hätte ins Lager oder zur Bahnstation fahren müssen. Riskant mit einem lecken Tank.
Irgendwann am Nachmittag war Hover zu sich gekommen, der heftige brennende Schmerz im Brustkorb, der ihn am Steuer überfallen hatte, war einem leichten Druck gewichen. Er sah sofort, dass der Tank leer war, was nicht sein konnte, da er ihn prinzipiell vor jeder Fahrt auffüllen ließ. Er kroch unter den Wagen und entdeckte im Tank einen kleinen Riss. Er zog aus der Hosentasche seinen Priemvorrat und sein Messer und begann, mit der teerigen Masse, nachdem er sie gründlich in seinem Speichel geweicht hatte, den Riss zu kitten. Dann holte Hover den Reservekanister, an den Hans Kaspar nicht einmal gedacht hatte, unter der Sitzbank hervor und füllte Benzin in den Tank. Der Motor sprang an, und Hover gelangte, ohne groß suchen zu müssen, auf die Straße zurück. So war er, obwohl der Tank noch immer leicht tröpfelte, immerhin bis zur Farm gelangt. Inzwischen nun war der Tank wiederleer, und man würde am nächsten Morgen Mrs. Hayfields Pferd ausleihen und vor das Auto spannen müssen, um zurück zum Lager zu gelangen.
Nun war dieser Deutsche endlich da. Man würde sich den Rest des Abends mit einem Spiel vertreiben können.
Doch Hans Kaspar, nachdem er seinen Kopf in einen wassergefüllten Eimer gesteckt hatte, wurde von Mrs. Hayfield in die Stube und zu einem Sofa geleitet, wo er, kaum dass er sich ausgestreckt hatte, augenblicklich einschlief.
Der Major starrte auf seine Bierflasche, trank einen Schluck und starrte wieder. Eigentlich wollte er nicht trinken, eigentlich hatte er Angst. Er schwitzte und lauschte. Er lauschte in sich hinein. Er hatte Angst, dass der Schmerz und die Not wiederkehren könnten, dass die Todesangst wiederkäme, vor allem die fürchtete er. Solange er das Auto flottgemacht hatte, solange er unterwegs gewesen war, solange er ärgerlich auf diesen Deutschen hatte sein können, solange er mit Mrs. Hayfield geredet hatte, solange er gegessen hatte, solange war alles in Ordnung gewesen. Es ist alles in Ordnung, hatte er sich gesagt, wieder und wieder. Damit hatte er seine Angst niedergehalten. Jetzt, wo Mrs. Hayfield irgendwo im Haus hantierte, wo dieser verdammte Deutsche da war und doch nicht da war, sondern auf Mrs. Hayfields Sofa schlief, da gewann die Angst Macht über ihn. Deshalb trank er, obwohl er sich sagte, dass es besser sei, sich ganz ruhig hinzulegen und morgen sofort den Lagerarzt zu konsultieren. Doch er fürchtete gerade dann, wenn seine Wachsamkeit nachließ, würden Schmerz und Todesangst die Gelegenheit nutzen, erneut über ihn herzufallen. So grübelte er und trank, obwohl er eigentlich nicht trinken wollte, obwohl er eigentlich endlich mit Mrs. Hayfield schlafen wollte. Wenigstens dieses eine, letzte Mal … O Gott, warum
letztes
Mal?
Doch Mrs. Hayfield kam nicht. Vielleicht sollte er nach ihr sehen. Ja, er wird aufstehen und nach ihr sehen und …
Der Major taumelte gegen den Tisch und rutschte schwer zu Boden. Er spürte keinen Schmerz und keine Angst, nur Erleichterung darüber, dass Schmerz und Angst ausblieben.
Mrs. Hayfield hörte nur ein dumpfes Poltern, doch egal, was es war, sie wollte jetzt nicht hier weg. Sie lag unter der Wolldecke, schmiegte sich an diesen schlafenden Mann und genoss die heimliche Nähe. Sie genoss es, obwohl es eng und unter anderen Umständen unbequem gewesen wäre. Sie spürte diesen harten knochigen Körper und spürte darin ihren eigenen als etwas anderes, etwas lange Vermisstes, etwas Weiches, etwas Hingebendes. So sollte es bleiben, diese Stunde, diese Nacht, dieses Leben. Doch so blieb es nicht.
Es blieb so nicht, weil der Mann erwachte und ebenso in ihrem seinen Körper spürte, ihre Hand auf seiner Brust, ihren Atem zwischen Schulter und Hals, ihr Knie auf seinem Bein. Und er spürte den Drang, sich dieser Hand, dieses Atems, dieses Knies anzunehmen, sie zu berühren, sie zu etwas Eigenem zu machen. Er tat es ganz und gar.
Am
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