Der Lavendelgarten
wäre noch etwas anderes. Falk …«
»Nein! Entschuldigung.« Édouard erhob sich und stolperte zur Tür des ummauerten Gartens. »Ich muss jetzt allein sein.«
Nachdem Connie Victoria am Abend das letzte Fläschchen für den Tag gegeben und sie in ihr luftiges Kinderzimmer im Château gebracht hatte, hörte sie Schritte auf der Treppe. Édouard kam mit aschfahlem Gesicht und vom Weinen geröteten Augen zu ihr.
»Constance, ich muss mich vielmals für das entschuldigen, was vorhin im Garten passiert ist. Das war unverzeihlich.«
»Machen Sie sich darüber keine Gedanken«, sagte Connie, die froh war, dass Édouard sich beruhigt hatte. »Möchten Sie Ihre Nichte sehen?«, fragte sie. »Sie ist ein hübsches kleines Ding, Sophia wie aus dem Gesicht geschnitten.«
»Nein … nein! Das ertrage ich nicht.«
Édouard wandte sich ab und entfernte sich.
In den folgenden Tagen bekam Connie Édouard, der im großen Schlafzimmer des Châteaus Quartier bezogen hatte, nur selten zu Gesicht. In der Nacht hörte sie ihn durch die Flure geistern, und wenn sie morgens aufstand, war er bereits aus dem Haus. Wenn sie bei Tagesanbruch Victoria fütterte, entdeckte sie ihn vom Fenster des Châteaus aus, wie er mit hängenden Schultern durch die Weinberge wanderte. Er blieb oft den ganzen Tag weg, kehrte erst in der Dunkelheit zurück und verschwand dann sofort in seinem Zimmer.
»Er trauert, Constance. Lassen Sie ihn. Er braucht Zeit«, riet Jacques ihr.
Obwohl Connie ihn verstehen konnte, verlor sie, als die Tage verstrichen und Édouard nicht aus seiner Verzweiflung auftauchte, die Geduld. Sie wollte endlich nach Hause. Jetzt, da Paris befreit war, konnte sie ungehindert reisen, zu ihrem Mann zurückkehren und zum ersten Mal seit vier Jahren wieder ihr eigenes Leben führen.
Doch solange Édouard seinen Kummer nicht überwand und sich nicht seiner Nichte zuwenden wollte, konnte sie Victoria nicht im Stich lassen. Sie hatte sie als Erste im Arm gehalten und kümmerte sich seit ihrer Geburt um sie, weil Sophia in den wenigen Tagen, die ihr danach noch geblieben waren, selbst dazu zu schwach gewesen war.
Connie betrachtete Victorias engelsgleiches Gesicht, das winzige Abbild ihrer Mutter. Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass die Kleine Sophias Blindheit geerbt haben könnte, stellte aber zu ihrer Erleichterung fest, dass Victoria mit ihren hübschen blauen Augen fasziniert alles beobachtete, was sich bewegte. Erst kürzlich hatte sie zum ersten Mal gelächelt, und wenn Connie sie nun aus dem Bettchen hob, strahlte sie. Connie graute vor dem Tag, an dem sie von ihr Abschied nehmen musste. Sie war praktisch die Mutter der Kleinen, und die grenzenlose Liebe, die sie für Victoria empfand, machte ihr Angst.
Connie konnte nur hoffen, dass sie mit Lawrence schon bald eigene Kinder haben würde.
Nach einer Woche, in der Édouard sich völlig von ihnen zurückzog, beschloss Connie, ihr Anliegen vorzubringen. Als sie eines Morgens wieder Édouards Schritte auf dem Treppenabsatz hörte, hielt sie ihn auf.
»Édouard, wir müssen reden.«
Er wandte sich zu ihr um. »Worüber?«
»Der Krieg ist praktisch zu Ende. Ich habe einen Mann und ein Leben in England, zu dem ich zurück möchte.«
»Dann gehen Sie.« Er zuckte mit den Achseln.
»Édouard, warten Sie! Was ist mit Victoria? Jemand muss sich um sie kümmern, wenn ich nicht mehr da bin. Vielleicht möchten Sie ein Kindermädchen engagieren? Ich könnte Ihnen helfen, eine passende Kraft zu finden.«
»Constance, dieses Kind interessiert mich nicht«, herrschte er sie an. »Das Mädchen und sein Bastardvater sind schuld, dass Sophia nicht mehr unter uns weilt.«
Connie war entsetzt über seine Kälte. »Édouard, wie können Sie das sagen? Die Kleine hat niemanden darum gebeten, auf diese Welt zu kommen. Sie als ihr Onkel sind verantwortlich für sie!«
»Nein! Warum organisieren Sie nicht etwas für sie, Constance? Vielleicht gibt es in der Gegend ein Waisenhaus, das sie nimmt.« Er seufzte. »Sie wollen uns ja offenbar so schnell wie möglich verlassen. Je eher dieses Kind aus dem Haus ist, desto besser. Bitte verfahren Sie so, wie Sie es für richtig halten. Ich trage selbstverständlich sämtliche Kosten.«
Constance starrte Édouard mit offenem Mund nach, wie er die Treppe hinunterging.
»Wie kann er so entsetzliche Dinge sagen?«, fragte Connie Jacques.
»Er trauert. Nicht nur wegen Sophia, sondern wegen all der anderen Dinge, die er im Krieg verloren hat. Die Kleine
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