Der Lavendelgarten
Nonne ging mit Victoria auf dem Arm zur Tür. Connie wollte aufstehen und ihr folgen, doch Jacques hielt sie zurück, legte den Arm um ihre Schultern und führte sie hinaus zum Wagen.
So, wie Victoria bei der Hinfahrt geweint hatte, schluchzte Connie nun bei der Heimfahrt.
Schließlich stellte Jacques den Wagen vor der cave ab und tätschelte tröstend Connies Knie.
»Ich mag sie auch, Constance. Aber es ist das Beste so. Wenn Sie das tröstet: Kleine Kinder erinnern sich später nicht mehr, wer sich in den ersten Monaten um sie gekümmert hat. Bitte quälen Sie sich nicht. Victoria ist fort, und Sie können endlich nach Hause. Sie müssen in die Zukunft blicken und an Ihre Rückkehr in die Heimat und zu dem Mann, den Sie lieben, denken.«
Zwei Tage später, nachdem sie ihre wenigen Habseligkeiten gepackt hatte, ging Connie die Treppe des Châteaus hinunter, um sich von Jacques mit dem allerletzten Rest Benzin zum Bahnhof von Gassin bringen zu lassen. Zuvor öffnete sie die Tür zur Bibliothek, weil sie den zweiten Band von Die Herkunft französischer Obstsorten ins Regal zurückstellen und Sophias Notizheft auf Édouards Schreibtisch legen wollte, damit er darin lesen und begreifen würde, wie sehr seine Schwester Frederik geliebt hatte.
Die Fensterläden des dunklen Raums waren geschlossen.
Als sie einen öffnen wollte, begrüßte Édouard sie von einem Ledersessel aus: »Hallo, Constance. Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe«, fügte er hinzu, als sie zusammenzuckte.
»Ich muss mich entschuldigen, dass ich Sie störe. Ich wollte vor meiner Abreise dieses Buch zurückbringen«, erklärte sie. »Und das Notizheft mit Sophias Gedichten. Vielleicht wollen Sie sie lesen. Sie sind wirklich rührend.«
»Nein. Nehmen Sie beides nach England mit, als Erinnerung an das, was hier geschehen ist.«
»Ich gehe jetzt, Édouard. Danke für Ihre Hilfe in Frankreich«, sagte sie leise und wandte sich zur Tür.
»Constance?«
»Ja?«
»Jacques hat mir erzählt, wie Sie Sophia das Leben gerettet haben, als Falk von Wehndorf seinem Bruder hierher gefolgt ist. Dafür wollte ich Ihnen danken.«
»Ich habe getan, was ich musste, Édouard.«
»Ihre Freundin Venetia hat mir das Leben gerettet und durch ihren Mut das eigene verloren«, fügte er traurig hinzu. »In London habe ich gehört, dass sie von der Gestapo erschossen wurde.«
»Venetia ist tot? O nein!« Wann nur würden die schlechten Nachrichten endlich aufhören?
»Sie war eine wunderbare Frau. Ich werde sie nie vergessen. In letzter Zeit denke ich manchmal, dass es besser gewesen wäre, mit den Menschen zu sterben, die ich geliebt habe.«
»Offenbar war das weder Ihnen noch mir vom Schicksal beschieden«, bemerkte Connie. »Nun liegt es an uns, die Zukunft in ihrem Namen aufzubauen.«
»Ja. Aber es gibt Dinge, die ich nicht vergeben und vergessen kann. Tut mir leid, Constance.«
Da sie nicht wusste, was sie darauf erwidern sollte, verließ sie die Bibliothek schweigend und schloss die Tür hinter sich. Édouard de la Martinières blieb in der Vergangenheit zurück, während sie die ersten zaghaften Schritte in die Zukunft wagte.
Drei Tage später fuhr der Zug beladen mit müden Kriegsheimkehrern in den Bahnhof von York ein. Connie hatte ein Telegramm nach Blackmoor Hall geschickt, um den Haushalt von ihrer baldigen Rückkehr in Kenntnis zu setzen, wusste jedoch nicht, ob es angekommen und ob Lawrence überhaupt dort war. Connie trat leicht fröstelnd in die englische Herbstluft hinaus.
Würde er sie abholen?
Sie ließ den Blick über die Menschen schweifen, die auf ihre Angehörigen warteten. Nach fünfzehn Minuten erfolgloser Suche beschloss sie, den Bahnhof zu verlassen und zu dem Bus zu gehen, der sie übers Hochmoor nach Blackmoor Hall bringen würde. Da entdeckte sie eine einsame Gestalt am Ende des jetzt leeren Bahnsteigs. Seine Haare waren vor der Zeit ergraut, und er hielt einen Gehstock in der rechten Hand.
»Lawrence!«, rief sie.
Beim Klang ihrer Stimme drehte er sich erstaunt um. Sie lief zu ihm und warf sich in seine Arme.
»Liebes! Tut mir leid, ich habe dich nicht erkannt! Deine Haare …«, murmelte Lawrence und betrachtete sie verwundert.
»Ich habe diese Farbe jetzt schon so lange, dass ich sie gar nicht mehr wahrnehme.«
»Weißt du was?« Er musterte sie grinsend. »Sie steht dir gut. Damit siehst du aus wie ein Filmstar.«
»Wohl kaum«, seufzte Connie mit einem Blick auf die verknitterte Kleidung, die sie die ganze Fahrt
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