Der Lavendelgarten
Erde herumkrabbeln. Der Stärkere frisst den Schwächeren, und jeder kämpft für sich allein. Meinst du denn, dein kleines Leben – oder das ihre – ist wichtig? Glaubst du tatsächlich, dass die Liebe alles besiegt? Du bist blind, Frederik, bist es immer schon gewesen. Es wird Zeit, dass ich dir zeige, wie die Realität aussieht.«
Falk richtete die Waffe auf Sophia.
» Das ist die ›Realität‹!«
Frederik sprang schützend vor Sophia, als ein Schuss die Stille durchdrang.
Und ein zweiter.
Frederik, der unverletzt geblieben war, drehte sich zu Sophia um. Da sank Falk tödlich getroffen zu Boden, die Waffe glitt ihm aus den Fingern. Frederik kniete neben ihm nieder.
»Du hast gewonnen«, presste Falk mit seinem letzten Atemzug hervor.
In den Bäumen zwitscherten die Vögel, sonst herrschte völlige Stille im Garten.
Nachdem Frederik seinem Bruder die Augen geschlossen und ihn auf die Stirn geküsst hatte, hob er den Blick.
Connie stand hinter Falk, Jacques’ Jagdflinte auf die Stelle gerichtet, wo dieser kurz zuvor noch gestanden hatte.
»Danke«, formte Frederik, Tränen in den Augen, mit den Lippen.
»Er hat es nicht besser verdient«, erklärte sie. »Es war an der Zeit, endlich das, was ich in der Ausbildung gelernt habe, anzuwenden. Habe ich das Richtige getan?«, fragte sie unsicher.
Frederik sah noch einmal seinen toten Bruder an und wandte sich dann Sophia zu, die aschfahl geworden war.
»Ja«, antwortete er. »Das haben Sie. Danke.«
Da stieß Jacques zu ihnen. »Geben Sie mir das Gewehr, Constance.« Er nahm es ihr vorsichtig aus der zitternden Hand, legte den Arm um ihre Schultern und führte sie zu dem Stuhl neben Sophia.
»Ist er tot?«, fragte Jacques Frederik und nickte in Richtung Falk.
»Ja.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie so gut schießen können, Constance«, sagte Jacques, als er sich über Falks Leiche beugte.
»Ich habe das Töten gelernt«, erklärte Connie.
»Er war Ihr Bruder?«, fragte Jacques.
»Ja, mein Zwillingsbruder.«
»Wahrscheinlich wissen seine Leute, dass er hier ist.«
»Das bezweifle ich. Er wollte den Ruhm für meine Festnahme ganz für sich.«
»Sicher ist das nicht«, widersprach Jacques. »Frederik, Sie müssen sofort von hier verschwinden. Wenn jemand zufällig am Château vorbeigekommen ist, hat er die Schüsse gehört. Mademoiselle Sophia, gehen Sie nach unten und bleiben Sie fürs Erste dort, während wir unser weiteres Vorgehen überlegen. Constance bringt Sie hin«, fügte er hinzu.
»Danke«, sagte Sophia, als Connie ihr aufhalf.
Frederik erhob sich und wandte sich Connie zu. »Ich möchte nicht, dass Ihnen die Schuld für seinen Tod gegeben wird. Falk war hinter mir her, deshalb hätte ich dem Ganzen ein Ende bereiten müssen. Wenn jemand Sie fragen sollte, sagen Sie bitte, dass ich ihn erschossen habe.«
»Nein, Frederik, ich habe ihn nicht nur umgebracht, um Sophia und Sie zu retten.« Connie richtete den Blick in die Ferne. »Ich hatte meine eigenen Gründe. Jetzt kann ich sicher sein, dass keine andere Frau mehr das erdulden muss, was er mir angetan hat.« Sie sah Frederik an. »Ich wünsche mir seinen Tod schon seit Monaten.«
»Wir müssen die Leiche so schnell wie möglich beseitigen, Frederik«, bemerkte Jacques. »Bitte helfen Sie mir beim Ausheben einer Grube.«
»Natürlich.«
»Am besten vergraben wir ihn gleich hier im Garten. So gehen wir kein Risiko ein, gesehen zu werden. Ich hole Schaufeln. Ziehen Sie Ihren Bruder aus, dann kann ich seine Kleidung verbrennen«, bat Jacques Frederik. »Constance, wenn Sie Sophia in den Keller gebracht haben, gehen Sie in die Küche und nehmen sich einen Brandy – der beruhigt. Hier werden Sie nicht mehr gebraucht.«
Nachdem Connie die vor Angst bebende Sophia in den Keller begleitet und ihr versichert hatte, dass Frederik noch einmal zu ihr kommen würde, um sich zu verabschieden, folgte sie seinem Rat. Der Brandy half tatsächlich, obwohl sie trotz der Wärme des Junitags weiter zitterte.
Eine halbe Stunde später gesellte sich Jacques zu ihr. »Falk ist vergraben, seine Uniform verbrannt. Und Frederik verabschiedet sich im Keller von Sophia, bevor er endgültig aufbricht.«
»Danke, Jacques.«
»Nein, Constance, wir müssen Ihnen danken«, entgegnete Jacques. »Ich hole jetzt Proviant für Frederik. Wenn er weg ist, reden wir weiter.«
»Auf Wiedersehen, Liebes«, sagte Frederik und drückte Sophia an sich. »Ich melde mich bei dir, das verspreche ich dir, aber jetzt musst
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