Der Lavendelgarten
fährt?«
»Ich weiß nicht so recht.« Jacques wirkte nicht begeistert über ihren Einfall.
»Das schadet doch niemandem, Papa. Wenn Emilie ihm Sophias Gedichte gibt, hat er wenigstens eine greifbare Erinnerung an sie.«
»Sagen Sie mir die Adresse, Jacques?«, bat sie ihn.
»Ich schau mal, ob ich sie finde«, antwortete Jacques zurückhaltend. »Vielleicht ist er ja schon gestorben.«
»Wenn ich die Adresse hätte, könnte ich das herausfinden.«
»Verraten Sie ihm, dass ich ihn damals wegen dem Baby angelogen habe?«, fragte Jacques.
Emilie sah Jean ratsuchend an.
»Papa, wenn Frederik wirklich so ist, wie du ihn beschreibst, hat er bestimmt Verständnis dafür, dass du ihm die Geburt seiner Tochter verheimlicht hast. Du wolltest das Kind ja nur schützen.«
»Wird er auch verstehen, dass ich ihm damit die Möglichkeit genommen habe, seine Tochter kennenzulernen?«, murmelte Jacques.
»Ich denke schon«, antwortete Jean. »Papa, falls du weißt, wer und wo sie ist, wäre meiner Ansicht nach jetzt der geeignete Zeitpunkt, es uns zu verraten. Emilie hat ein Recht darauf. Schließlich handelt es sich um ihre Familie.«
»Nein! Jean, du verstehst das nicht. Ich …«
»Jacques …« Emilie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Bitte regen Sie sich nicht auf. Sie haben bestimmt Ihre Gründe. Beantworten Sie mir nur eine Frage: Wissen Sie, wo sie ist?«
Jacques zögerte.
»Ja, ich weiß es«, gab er schließlich zu. »Nun ist es heraus. Ich habe das Versprechen gebrochen, das ich mir selbst vor so vielen Jahren gegeben habe.« Er schüttelte traurig den Kopf.
»Papa, es ist wirklich lange her«, sagte Jean. »Du kannst Sophias Tochter nicht mehr in Gefahr bringen.«
»Genug!« Jacques schlug mit der Faust auf den Tisch, erhob sich schwerfällig und packte seinen Gehstock. »Du verstehst das nicht. Ich brauche Zeit zum Nachdenken.«
Jean und Emilie blickten ihm nach, wie er das Häuschen in beachtlicher Geschwindigkeit verließ.
»Wir hätten ihm keinen Druck machen dürfen, Jean«, bemerkte Emilie schuldbewusst. »Er ist ziemlich aus der Fassung.«
»Vielleicht tut es ihm gut, das Geheimnis endlich loszuwerden«, meinte Jean. »Ich muss jetzt wieder an die Arbeit. Kann ich Sie heute Nachmittag allein lassen?«
»Natürlich. Gehen Sie ruhig zurück in die cave . Ich räume hier schon auf.«
Als Jean weg war, spülte Emilie das Geschirr und griff dann zum Handy. Sie sah, dass Sebastian ein paarmal angerufen hatte, doch nun war es an ihr, nicht zu reagieren. Die Geschichte vom Vorabend beschäftigte sie auf unterschiedlichen Ebenen und verstärkte ihre Kritik an Sebastians Verhalten seinem Bruder gegenüber eher, als dass sie sie minderte.
Weil sie das Gefühl hatte, frische Luft zu brauchen, ging Emilie im Weinberg spazieren. Dabei schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf.
Jacques hatte immer wieder betont, wie niedergeschlagen Constance darüber gewesen war, das Baby weggeben zu müssen. Emilie konnte sehr gut verstehen, warum sie die Kleine nicht mit nach England genommen hatte. In den Zeiten vor verlässlichen Vaterschaftstests hätte ihr Mann immer Zweifel gehegt, egal, wie oft Constance ihm versicherte, dass Victoria nicht ihr Kind war.
Victoria …
Emilie setzte sich auf den Boden. Was, wenn Constance ihrem Mann in Yorkshire von dem Baby in dem Waisenhaus erzählt hatte? Und was, wenn Lawrence sich einverstanden erklärt hatte, nach Frankreich zu fahren und es zu adoptieren?
Emilie war sich ziemlich sicher, dass Sebastian einmal den Namen seiner Mutter erwähnt hatte … Sie versuchte, sich zu erinnern, ohne Erfolg. Emilie griff zum Handy, ohne zu wissen, welchen der Brüder sie anrufen und fragen sollte.
Zuerst wählte sie die Nummer ihres Mannes, erreichte jedoch nur seine Mailbox. Also versuchte sie es bei Alex, der sofort ranging.
»Alex? Ich bin’s, Emilie.«
»Emilie! Freut mich, von Ihnen zu hören. Wie geht’s?«, erkundigte er sich.
»Danke, gut.« Emilie kam gleich zur Sache. »Alex, wie hieß Ihre Mutter mit Vornamen?«
»Victoria. Warum?«
Emilie schlug die Hand vor den Mund.
»Ich … Das ist eine lange Geschichte, Alex. Ich erkläre Ihnen alles, wenn ich wieder in Yorkshire bin. Ganz herzlichen Dank. Auf Wiedersehen.«
Emilie beendete das Gespräch.
Victoria war also die Mutter von Sebastian und Alex.
Was bedeutete, dass sie mit einem Cousin verheiratet war …
»Nein!«, rief sie laut aus, legte sich flach hin, so dass ihr Kopf auf dem harten, steinigen Boden ruhte,
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