Der Lavendelgarten
Bücher in Frankreich handeln. Sie sollten professionell mit dem Computer erfasst werden.«
Emilie setzte sich erschöpft in den Ledersessel ihres Vaters. »O Gott«, stöhnte sie. »Es türmen sich immer mehr Arbeiten auf. Allmählich wird mir klar, dass das Ordnen meines Erbes eine Ganztagsbeschäftigung ist.«
»Die sich aber lohnt«, versuchte Sebastian sie aufzubauen.
»Ich habe ein anderes Leben, das mir gefällt. Ein ruhiges und …«, Emilie hätte fast »sicheres« gesagt, wusste jedoch, dass das seltsam geklungen hätte, »… strukturiertes.«
Sebastian kniete neben ihr nieder und stützte sich an der Armlehne ihres Sessels ab. »Ich kann Sie verstehen, Emilie. Wenn Sie zu diesem Leben zurückkehren wollen, müssen Sie Menschen finden, denen Sie die Organisation des Ganzen hier anvertrauen können.«
»Nur: Wem kann ich vertrauen?«, fragte sie.
»Sie haben gerade Ihren notaire erwähnt«, meinte Sebastian. »Vielleicht sollten Sie alles ihm überlassen.«
»Aber …« Emilie traten Tränen in die Augen. »Ich bin es meiner Familie schuldig, das selbst zu erledigen. Ich kann nicht einfach weglaufen.«
»Emilie«, sagte Sebastian mit sanfter Stimme, »Sie haben eine gewaltige Aufgabe vor sich, natürlich fühlen Sie sich überfordert. Ihre Mutter ist erst ein paar Wochen tot. Sie stehen unter Schock, sind noch in Trauer. Warum lassen Sie sich nicht ein wenig Zeit für die Entscheidungen?« Er tätschelte ihre Hand und erhob sich. »Ich muss jetzt los. Sie haben meine Visitenkarte. Selbstverständlich bin ich gern bereit, Ihnen zu helfen, soweit ich kann. Für mich ist dieses Château ein Gottesgeschenk, besonders die Gemälde.« Er lächelte. »Ich werde mich mit ziemlicher Sicherheit eine Weile in Gassin aufhalten. Wenn ich also alles für eine Expertise des Matisse in die Wege leiten soll, wählen Sie einfach die Handynummer auf meiner Karte.«
»Danke«, sagte Emilie und überprüfte, ob sich die Visitenkarte noch in der Tasche ihrer Jeans befand.
»Über meine Kontakte in Paris würde ich auch die besten Antiquitätenhändler und Antiquariate in Erfahrung bringen können. Egal, was Sie am Ende mit dem Château machen wollen: Es wäre auf jeden Fall sinnvoll, den Wert Ihres Besitzes zu kennen. Ihre Eltern hatten doch bestimmt irgendeine Art von Versicherung?«
»Das weiß ich nicht.« Sie zuckte mit den Achseln. So, wie sie ihren Vater kannte, bezweifelte sie es. Sie nahm sich vor, Gerard danach zu fragen. »Herzlichen Dank für Ihre Ratschläge.« Sie lächelte matt, stand auf und ging mit Sebastian zum Wagen hinaus. »Tut mir leid, wenn ich ein bisschen … emotional wirke. Das sieht mir gar nicht ähnlich. Vielleicht können wir uns ein andermal über das unterhalten, was Ihre Großmutter Ihnen über die Kriegszeit und meinen Vater erzählt hat.«
»Gern. Kein Grund, sich zu entschuldigen«, fügte er hinzu, als er in den Wagen stieg. »Sie haben nicht nur geliebte Menschen verloren, sondern auch einen Riesenberg Pflichten vor sich.«
»Ich schaffe das schon. Das muss ich.« Emilie ließ den Motor an und lenkte den Wagen die Auffahrt hinunter.
»Bestimmt. Wie gesagt: Sie wissen, wie Sie mich erreichen können, wenn ich Ihnen irgendwie helfen soll.«
»Danke.«
»Mein gîte ist gleich da drüben links …« Sebastian deutete auf eine Abzweigung. »Lassen Sie mich bitte hier raus, den Rest des Weges kann ich zu Fuß gehen. Es ist so schönes Wetter.«
»Gut.« Sie hielt den Wagen an. »Danke noch mal.«
»Passen Sie auf sich auf, Emilie.« Sebastian stieg aus und schlenderte mit einem letzten Winken die Straße entlang.
Emilie wendete und fuhr zum Château zurück, wo sie unruhig von Raum zu Raum wanderte.
Als die Nacht hereinbrach und die Temperatur zurückging, zog Emilie sich an den Herd in der Küche zurück und aß von dem Cassoulet, den Margaux für sie bereitgestellt hatte. Leider war ihr der Appetit vergangen, doch davon profitierte Frou-Frou.
Nach dem Essen schob sie den Riegel an der hinteren Tür vor und verschloss sie. Oben ließ sie nur mäßig warmes Wasser in die uralte, mit kalk bedeckte Wanne ein, legte sich hinein und wälzte morbide Gedanken darüber, dass sie genau ihre Länge hatte und somit eine gute Vorlage für ihren Sarg abgegeben hätte. Wenig später stieg sie heraus, trocknete sich ab und stellte sich vor den Ganzkörperspiegel.
Sie zwang sich, ihren nackten Körper zu betrachten, den sie immer als höchst unvollkommen empfunden hatte. In der Kindheit
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