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Der Leibarzt der Zarin

Der Leibarzt der Zarin

Titel: Der Leibarzt der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hocherhobener Klinge auf Trottau eindrang, traf ihn ein Stein in den Rücken. Pritschew fuhr herum. Hinter ihm stand, ein breites Lächeln im bärtigen Gesicht, Afanasi Likanowitsch Sabotkin, Trottaus Diener. Er winkte Trottau zu.
    »Beschmutz dir nicht die Finger an diesem stinkenden Hund, Herrchen«, sagte er mit seiner tiefen Stimme. »Überlaß ihn deinem Sklaven.«
    »Auf die Knie!« schrie Pritschew. »Auf die Knie, du Wanze! Ich bin der Bojar Pritschew! Zitterst du jetzt?«
    »Mich jagt ein Schüttelfrost!« Langsam kam Sabotkin näher. Der vorgestreckte Dolch Pritschews schreckte ihn nicht. »Der Zar wird gleich einen Freund weniger haben. Armer Zar – er ist sowieso schon ein einsamer Mensch. Nun wird er noch einsamer werden!«
    »Geh weg, Afanasi«, befahl Trottau. »Das ist nicht deine Arbeit.«
    Xenia umklammerte seine Beine. In ihren großen, blauen Augen stand alles Entsetzen dieser Welt. »Andrej«, stammelte sie, »laß uns zusammen sterben …«
    »Zurück!« brüllte Pritschew Afanasi an. Angst lag jetzt in seiner Stimme. Er stach zu, aber Sabotkin wich nicht aus. Nur seine Hand beschrieb einen Halbkreis, sauste von oben auf das Handgelenk des Fürsten. Es knirschte, Pritschew stieß einen dumpfen Schrei aus und ließ den Dolch fallen.
    »Welch dünne Knöchelchen!« sagte Sabotkin erstaunt. »Ein Hühnchen ist stärker als du. Man muß sich wundern.«
    Pritschew wich zurück. Er war jetzt waffenlos. »Du wirst gehenkt werden!«
    »Das glaube ich nicht …«, der Riese kam näher.
    »Gevierteilt, geköpft, auf den Boden gespießt!« Pritschew sah sich um, aber da war nirgendwo eine Möglichkeit zur Flucht. Rundherum Mauern, darin nur ein paar Fenster – die Zimmer des Zarewitsch, der zur Jagd war. Aber ein Fenster war offen, und dahinter stand der Leibgardist des Zarewitsch, Sabotkins neuer Freund.
    »Ruf die Wache, Gardist!« brüllte Pritschew in höchster Not. »Du kennst mich doch!«
    Der Leibgardist beugte sich aus dem Fenster. »Siebenmal soll er dich umbringen, mein Freund Afanasi! Siebenmal, daß von dir nichts übrigbleibt! Kennst du Warwara, die Magd bei Iwan Prokowjewitsch Tschitin? Sie war mein Geschwisterkind. Du hast mit ihr geschlafen und hast sie dann im Wald aufhängen lassen. Afanasi – töte ihn siebenmal!«
    »Keine Sorge, Brüderchen!« Afanasi schlug die riesigen Hände gegeneinander. »Wenn ich ihn loslasse, wird man ihn nicht mehr erkennen.«
    »Wache!« brüllte Pritschew, »Wache!« Er rannte davon, aber da war nicht viel zu rennen. Es ging immer nur im Kreis herum, an der Mauer entlang, durch die Büsche, um die Bäume. Sabotkin folgte ihm langsam, mit einem Grinsen, das wie festgefroren schien.
    Trottau kniete neben Xenia. Er hatte sie an sich gedrückt und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust. »Sieh nicht hin«, sagte er leise. »Hör nicht hin – und vergiß alles, was an diesem Tag geschieht …«
    An einem Baum standen sich der Bojar und der Leibeigene nun gegenüber. Es gab kein Entkommen mehr, Pritschew wußte es. Der Schweiß lief über sein verzerrtes Gesicht und brannte ihm in den Augen. Und plötzlich geschah etwas, was bisher undenkbar gewesen, was noch nie geschehen war: Fürst Pritschew kniete in seiner Todesangst vor einem Leibeigenen nieder und hob beide Hände.
    »Tausend Goldrubel …«, stammelte er.
    »Bete, Fürst«, erwiderte Sabotkin dumpf, »das ist mehr wert.«
    »Dreitausend Goldrubel …«
    »Himmlischer Vater, erbarme Dich des armen Sünders …«, fing Sabotkin an. Wie ein Pope sang er ein Gebet.
    »Ich will den Zaren bitten, die Leibeigenschaft von dir zu nehmen. Ein Herr wirst du werden, ein freier Mensch!« heulte Pritschew. Die Augen quollen ihm vor Angst fast aus den Höhlen. Sabotkin riß ihn am Kragen hoch und stellte ihn auf die zitternden Beine.
    »Er hat eine Seele, o Herr«, sang er weiter. »Auch schlechte Menschen sind Menschen, Gott im Himmel. Erbarme Dich seiner …«
    Der Bojar brüllte auf, seine Stimme überschlug sich. Trottau drückte Xenias Gesicht ganz fest an sich und legte beide Hände auf ihre Ohren. Er selbst senkte den Kopf und schloß die Augen. ›Laß ihn leben!‹ wollte er schreien. Aber das war unmöglich, denn damit hätte er Xenia, die Blattjews, Sabotkin, den Leibgardisten und sich selbst getötet.
    Sabotkin packte den Bojaren an seinen kostbaren, bestickten Kleidern, hob ihn hoch und trug ihn so zu der Gartenmauer. Dann bog sich Afanasi in den Hüften zurück und schleuderte Pritschew gegen die Wand.
    Es

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