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Der Leibarzt der Zarin

Der Leibarzt der Zarin

Titel: Der Leibarzt der Zarin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und ihr einen tiefen Schlaf gibt. Aber das ist keine Heilung von Dauer.«
    »Und was ist von Dauer, Deutscher?«
    »Ein Rat, Herr. Die erhabene Zarin sollte Euch öfter begleiten – auf der Jagd, auf die Güter, zu den Besichtigungen der Truppen, überall. Das Ertragen von Anstrengungen ist nur Gewohnheit. Laßt die Zarin teilhaben an Eurem Leben außerhalb dieser Zimmer, und Ihr werdet sehen, wie gesund sie wird.«
    Iwan blickte Trottau verwundert an. »Eine gute Antwort«, sagte er gedehnt. »Ich werde darüber nachdenken.« Er winkte mit dem Possoch. »Gebt der Zarin jetzt das Pulver und geht.«
    Er ist nicht ihr Liebhaber, dachte Iwan zufrieden. Welcher Liebhaber schickt seine Geliebte weg? Er würde Lügen erfinden, um sie immer in seiner Nähe zu behalten. Aber Trottau rät mir, Marja mitzunehmen …
    Trottau stand an einem Tisch, mischte ein Pulver und schüttete es in einen Becher mit süßem Wein. Der Zar straffte sich. Er ging zu Trottau, umarmte ihn und küßte ihn auf die linke Wange.
    »Wenn ich deine rechte Wange küsse, wirst du ein Fürst sein«, erklärte er. »Oder ich schlage dir den Kopf ab. Es liegt an dir, wie dein Leben wird.« Er ging hinaus und ließ Marja und Trottau allein.
    Die Zarin wartete, bis Iwan fort war, dann fuhr sie vom Bett hoch und schlug Trottau den Becher aus der Hand, den er ihr gerade hinhielt. »Du kriecherischer Hund!« fauchte sie.
    »Wir müssen Geduld haben, Marja. Der Zar ist voller Mißtrauen.«
    »Dann laß uns ihn umbringen! Du weißt nicht, was ich in diesen zwei Tagen und Nächten gelitten habe.«
    »Ich weiß es wohl.« Er strich mit den Fingerspitzen über ihre Haut, und sie erschauerte unter seinen Händen.
    Sie warf sich zurück auf das Bett. »Ist das nicht genug?« fragte sie wild. »Reicht das nicht, um ihn zu töten? Du hast Pulver genug – und er liebt gewürzten Wein. Er wird es nicht merken.«
    »Mord ist keine Lösung …«
    Draußen hörte man das Stampfen der strammstehenden Wachen. »Der Zar!« sagte Trottau. Marja deckte sich rasch zu. Sie spielte die Schlafende, und Trottau hob den Becher auf, stellte ihn auf den Tisch zurück und beschäftigte sich mit seiner Arzttasche.
    Der Zar stürzte ins Zimmer. »Was macht sie?«
    »Die erhabene Zarin schläft tief. Morgen wird sie gesund sein.«
    Iwan blickte zu Marja hin. Sie atmete ruhig. Der Zar stieß seinen Possoch in den Boden. »Fürst Pritschew ist verschwunden«, sagte er heiser. »Seit zwei Tagen hat ihn keiner mehr gesehen.« Er wartete auf eine Äußerung Trottaus, aber der zog nur die Schnallen seiner Tasche fest. »Du kennst Fürst Pritschew nicht?«
    »Nein, großer Herrscher.«
    »Er ist mein bester Freund. Und nun verschwindet er einfach! Ich habe Reiter zu seinen Häusern und Gütern gesandt. Mein bester Freund …« Der Zar sank in einen Sessel und riß die Mütze vom Kopf. »Ist denn überall Verrat? Nur Verrat? Liebt mich keiner auf dieser Welt? Trottau – warum haßt man mich? Ich will doch nur Rußlands Größe! Ich will aus Rußland das herrlichste Land der Welt machen. Aber keiner versteht das. Und so müssen sie bluten, um es zu verstehen … Trottau, mein bester Freund hat mich verlassen. Jetzt brauche ich dich! Du bist auch mein Arzt! Gib mir ein Mittel gegen Verrat!«
    Es war ein Augenblick, in dem Trottau Mitleid mit dem Zaren empfand und in dem er bereit war, vor sich selbst auszuspucken.

13
    Eine Woche suchte man in Moskau, in den Wäldern, im ganzen Land nach dem Bojaren Pritschew.
    Iwan setzte eine Belohnung von 1.000 Rubeln aus; er befahl für den Kreml allgemeine Trauer. Er trug schwarze Gewänder und ließ sich von seinen Mönchen Totenchöre vorsingen. Zusammengesunken hockte er in seinem Sessel und hatte die Augen geschlossen. Nur einmal hatte man den Zaren in solcher Trauer gesehen – beim plötzlichen Tod seiner ersten Frau Anastasia. Damals war er drei Tage und Nächte nicht von ihrer aufgebahrten Leiche gewichen, hatte neben ihr geschlafen, und nur dem Metropoliten von Moskau war es gelungen, Iwan von seiner Gemahlin wegzureißen, um die Tote endlich zu begraben.
    Die Trauer des Zaren um Pritschew war echt. Selbst Marja gelang es nicht, ihn aufzuheitern. Der Zauber ihres herrlichen Körpers versagte plötzlich. Das war eine Erkenntnis, die sie erschreckte. Wenn eine Frau den Zaren nicht mehr reizen konnte, bedeutete das unweigerlich das Ende. Marja Temrjuka war aber nicht gewillt, ihren Platz einer anderen abzutreten. Die Macht, die sie mit ihrem Leib erobert

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