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Der Leichenkeller

Der Leichenkeller

Titel: Der Leichenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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bezahlt wurde und ihrem eigenen Mandanten drohte. Der Richter behielt sie bei, ließ sie aber über das, was in Wirklichkeit vorging, völlig im Dunkeln. Daneben bestellte er einen anderen Verteidiger, der den Deal mit der Staatsanwaltschaft machte.«
    »Den so genannten Zweitverteidiger?«
    »Ja. Der Richter benutzte den von ihm bestellten Anwalt, um auf das Kooperationsangebot des Angeklagten einzugehen, tat aber weiterhin so, als wäre das, was in Gegenwart von Anwältin Nummer eins geschah, die tatsächliche Verhandlung.«
    »Eine komplette Farce. Verstoß gegen jegliche Offenlegungspflicht, Beeinträchtigung der ethisch-moralischen Verpflichtung, einseitige Kommunikation mit dem Gericht, um die ganze Sache einzufädeln, und Verfälschung des juristischen Prozesses von vorne bis hinten.« Justin zählte alle widerlichen Aspekte des Arrangements auf.
    »Ich bin nicht total verrückt, oder, wenn ich meinem Kollegen sage, dass ich bei so etwas nicht mitmache?«, fragte ich, während der Pilot den Steuerbordmotor anließ.
    »Du wärst wahnsinnig, wenn du es tun würdest.« Justin schüttelte den Kopf. »Ich frage mich, wo manche dieser Anwälte ihren Verstand gelassen haben. Du kennst doch Marty London, oder?«
    »Natürlich.« Marty war auch einer der ganz Großen unter den New Yorker Anwälten.
    »Ich habe heute mit ihm zu Mittag gegessen. Dabei kamen wir auf einen intelligenten jungen Anwalt zu sprechen. Marty vertritt einen Kollegen, der bis über beide Ohren in der Tinte sitzt – Leiter der Abteilung für Unternehmensrecht einer renommierten Anwaltskanzlei. Er hat seinen Partnern erzählt, dass er seine Mandanten bei Laune hält, indem er deren Lieblingsorganisationen Geld spendet. Große Summen.«
    »Eine Art Betrug?«
    »Das ist noch milde ausgedrückt. Er sagt dem geschäftsführenden Partner, dass er einen Privatscheck über, sagen wir, fünfzigtausend Dollar für eine gute Sache ausgestellt hat. Beispielsweise eine Kinderhilfsorganisation oder irgendein Kriegsgebiet. Oder eine Balletttruppe, die ums Überleben kämpft. Oder ein städtisches Kunstmuseum. Mit dem Privatscheck überzeugt er den Mandanten, dass er das Herz auf dem rechten Fleck hatte. Wer würde ihm für eine gute Tat schon auf die Finger schauen? Dann bittet er die Firma, ihm das Geld zu erstatten – was sie prompt tun.«
    »Ich glaube, ich weiß, worauf das hinausläuft«, sagte ich. »Er hat diesen Wohltätigkeitsorganisationen nie einen Scheck ausgestellt.«
    »Schlimmer noch – diese Organisationen existieren überhaupt nicht.« Justin schüttelte ungläubig den Kopf. »Battaglia macht Hackfleisch aus dem Kerl, falls er den Fall in die Hände bekommt. Alle paar Monate fünfzigtausend Dollar aus der Kanzleikasse in die eigene Tasche, zusätzlich zu seinem Jahresverdienst von ein paar Millionen. Ich verstehe diese Leute nicht, Alex.«
    Beide Propeller waren jetzt in Betrieb, und der Lärm machte es unmöglich, sich weiter zu unterhalten. Justin lehnte sich mit seiner Zeitung zurück, und ich widmete mich erneut meiner Liste.
    Innerhalb von wenigen Minuten nach dem Start befanden wir uns inmitten der riesigen Wolkendecke, die sich über New York gelegt hatte. Das Flugzeug wurde in den Turbulenzen hin- und hergeschüttelt, und ich zog meinen Sitzgurt enger. Ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren, welche Telefonate ich heute Abend noch erledigen musste, aber das raue Wetter machte jeden Arbeitsversuch unmöglich.
    Ich steckte meinen Kugelschreiber ein und starrte aus dem Fenster auf die Gewitterwolken. Wir waren nur zu fünft in dem kleinen Flugzeug und sahen alle genauso düster drein wie der Himmel um uns herum. Die Frau, die vor Justin saß, fummelte nach der Spucktüte. Ich sah ihr zu und hoffte bloß, dass sie sie in der engen Kabine nicht würde benutzen müssen.
    Der Pilot meldete sich zu Wort. »Entschuldigen Sie das Gewackele, Ladys und Gentlemen. Der Hurrikan sitzt uns im Nacken, also wird es die ganze Strecke so unruhig sein. Bis zur Landung sind es noch fünfunddreißig Minuten. Danke, dass Sie heute mit uns fliegen.«
    Ich schloss die Augen und versuchte, an etwas Angenehmes zu denken. Jake war in Washington, mein geliebtes Haus würde in Kürze von orkanartigen Sturmböen gebeutelt werden, und meine derzeitigen Ermittlungen schienen hoffnungslos verworren. Ich schlug die Augen auf und starrte wieder hinaus in das aufgewühlte Grau.
    Als der Pilot die Wolkendecke durchstieß und ich im Abenddunst die Lichter der Landebahn

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