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Der Leichenkeller

Der Leichenkeller

Titel: Der Leichenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Zweitverteidiger.«

32
     
    »US-Airways-Flug 3709 nach Martha’s Vineyard ist in circa zehn Minuten zum Einsteigen bereit. Die Passagiere werden gebeten, sich zu Flugsteig fünf zu begeben.«
    Ich hielt die Luft an, während die Ansage wiederholt wurde, und versuchte, meine Wut zu zügeln.
    »Was zum Teufel haben Sie sich dabei gedacht, Will? Zweitverteidiger? Wie können Sie es wagen, eine Mordermittlung mit so einem Schwachsinn aufs Spiel zu setzen?«
    »Ich habe den Präzedenzfall nachgelesen, Alex. Das Volk v. Stewart. Ich bin mir ziemlich sicher –«
    »Sparen Sie sich Ihre Zitate.« Ich bemühte mich, leise zu sprechen, da meine Stimme durch den Wartebereich des Terminals hallte. » Stewart äußert sich nur zur Abweisung der Anklage. Über die Frage der Angemessenheit eines Zweitverteidigers hat das Gericht nie entschieden. Wenn Sie die abweichende Meinung gelesen hätten, wüssten Sie, dass einer der Juristen das Konzept nicht nur geschmacklos, sondern einen Verstoß gegen jegliche Anwaltsethik nannte.«
    Nedim ging in die Defensive. »Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen widerspreche, Alex, aber die Berufungsgerichte haben –«
    »Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um darüber zu streiten. So einen halbseidenen, miesen Trick anzuwenden, wäre mir niemals in den Sinn gekommen.«
    »Sie hatten gerade keine Zeit, als ich es mit Ihnen besprechen –«
    »Ich muss jetzt an Bord gehen. Und Sie müssen das rückgängig machen. Wo kann ich Sie heute Abend erreichen? Ich rufe Sie in ein paar Stunden wieder an. Ich will wissen, vor wem Tiffany Gatts Angst hat und was Sie dem Richter erzählt haben, damit er Ihnen diese Farce gestattet hat.«
    Ich kritzelte seine Privatnummer auf die Rückseite meines Tickets und begab mich hinaus aufs Rollfeld zu dem kleinen Flugzeug.
    Noch eine Sache, um die sich Mike und Mercer kümmern mussten! Wer trug die Kosten für Tiffany Gatts’ Verteidigung? Falls es nicht ihre Mutter war und Tiffany tatsächlich Angst hatte, ihrer Anwältin reinen Wein einzuschenken, dann mussten wir herausfinden, wessen Marionette Lisi war.
    Ich wartete, bis die Frau vor mir ihren Tennisschläger über dem Sitz verstaut hatte, setzte mich dann in die zweite Reihe und notierte mir, was ich wegen Nedims Anruf erledigen musste.
    »Schon wieder fleißig am Arbeiten, Alex?«
    Ich blickte auf und sah in ein vertrautes Gesicht. Justin Feldman, ein prominenter New Yorker Prozessanwalt, der ebenfalls ein Haus auf Martha’s Vineyard besaß, schaute von seinem Platz jenseits des engen Mittelgangs zu mir herüber.
    »Nein, nur eine Liste, um Dampf abzulassen«, antwortete ich. »Ich fürchte, ich habe meine Wut gerade an einem jungen Anwalt in meiner Abteilung ausgelassen. Jetzt versuche ich, den Schaden auszubügeln.«
    »Hoffentlich nichts Irreparables.«
    Ich respektierte Justin und hatte ihn schon des Öfteren um Rat gefragt, vor allem wenn es um ethische Fragen ging, da er früher Vorsitzender des renommierten Ethikausschusses der Anwaltskammer gewesen war. »Kommt auf die Perspektive an. Weißt du irgendetwas über Zweitverteidiger?«, fragte ich.
    »Nie gehört.«
    »Das kommt daher, weil du in besseren Kreisen praktizierst.« Die Bundesrichter ließen sich die Tricks, die in den Staatsgerichten an der Tagesordnung waren, nur selten gefallen. »Spontan fällt mir dazu jedenfalls nur eine Entscheidung ein.«
    »Welcher Gerichtsbezirk?«, fragte Justin.
    »Ein Fall in Manhattan, vor ein paar Jahren. Der Täter saß vorläufig in Haft. Eines Tages ruft er aus heiterem Himmel den Staatsanwalt an und sagt, er wäre bereit, seine Mitangeklagten zu verpfeifen, aber seine Verteidigerin hätte es ihm verboten.«
    »Warum denn das?«
    »Wie sich herausstellte, war seine Anwältin von einem einflussreichen Drogenboss angeheuert und bezahlt worden. Als der Angeklagte auf den Deal des Staatsanwalts eingehen wollte, erklärte er dem Richter, seine Anwältin hätte tatsächlich angedroht, es den Boss wissen zu lassen, falls er weich würde – und damit wären seine Tage gezählt.«
    »Was hat der Richter getan?«, fragte Justin.
    »Er hat eine totale Fiktion aufgebaut. Er ließ den Angeklagten zu Protokoll geben, dass er um sein Leben fürchtete, falls er seine Anwältin feuerte und mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeitete. Also ging der Fall mit zwei Verteidigern weiter.«
    »Zwei? Und der eine wusste nichts vom anderen?«
    »Genau«, sagte ich. »Da war zum einen die ursprüngliche Anwältin, die von dem Drogenboss

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