Der Leichenkeller
passe. Mike, hör mal –«
»Aus der Boston Morning Post, 1839. Irgend so ein Cellist aus Ottawa hat vierzehn Riesen dafür kassiert. Ein Redakteur, der nicht richtig buchstabieren konnte, hat es damals für ›oll korrect‹ verwendet. Kapiert? Aus ›All correct‹ wurde O.K. «
»Wie faszinierend! Ich hab eigentlich angerufen, um dir von dem neuesten Problem in meinem Fall zu erzählen.«
»Kannst du nicht mal Ruhe geben, Kid? Und schnauz mich ja nicht an. Ich bin schon im Schlafanzug, mein Schlummertrunk steht bereit –«
»Wie du meinst. Ruf mich morgen früh an. Die nächste Leiche hast du auf dem Gewissen.«
Mikes Tonfall wurde ernst. »Hoppla, jetzt aber mal langsam. Was ist los?«
»Komische Sachen mit Tiffany Gatts und ihrer Anwältin«, sagte ich.
»Wie komisch? Zum Lachen komisch?«
»Nicht direkt. Tiffany will Kevin verpfeifen, behauptet aber, dass ihr Leben in Gefahr sei, falls sie das tut. Und das ihrer Mama auch.«
»Da bringt derjenige besser eine Kanone mit.«
»Helena Lisi ist nur eine Strohfrau«, sagte ich.
»Wofür?«
»Vermutlich für den Drahtzieher, der hinter der ganzen Sache steckt. Jemand anders bezahlt die Anwaltsrechnungen, will aber nicht mit dem Prozess in Verbindung gebracht werden. Du musst herausfinden, wer das ist. Am besten noch gestern.«
»Du glaubst nicht, dass Lisi es dir sagen wird, wenn du sie lieb und nett darum bittest?«
»Ich höre sie schon winseln, noch ehe ich überhaupt die erste Frage stelle. Ich könnte versuchen, sie vor die Grand Jury vorzuladen mit der Unterstellung, dass eine kriminelle Verschwörung im Gange ist, aber dann stellt sie einen Gegenantrag, und der Streit geht weiter bis zum Jüngsten Gericht.«
»Anwalt-Mandant-Privileg?«
»Das Oberste Gericht kann unter bestimmten Umständen die Offenlegung der Honorare verlangen, aber ich verlasse mich darauf, dass du schneller bist. Vielleicht fängst du mit Mrs. Gatts an. Find heraus, was sie weiß.«
»Also gibt es einen neuen Anwalt?«
»Zweitverteidiger. Ein dummer Trick, der den ganzen Fall untergraben könnte und mit Sicherheit einen Schuldspruch ungültig machen würde, falls wir je so weit kommen.«
»Verstanden.«
»Danke, Mike. Wir telefonieren morgen Vormittag.«
»Abgemacht«, sagte er. »Coop? Geht’s dir gut dort oben? Du bist nicht allein, oder?«
»Uns geht’s gut.« Ich wollte nicht, dass er sich Sorgen machte. »Versprochen. Dann bis morgen.«
Als Nächstes wählte ich Jakes Handynummer. »Hey«, sagte ich, als er sich meldete. »Nicht zu fassen, dass ich dich auf Anhieb erreiche.«
Ich streckte mich auf dem Sofa aus und legte den Hörer auf meiner Schulter ab.
»Wo bist du?«, fragte er.
»Zu Hause. Auf Martha’s Vineyard.« Jake wusste, dass es auf der ganzen Welt keinen Ort gab, an dem ich mich wohler fühlte. Spätestens eine halbe Stunde nachdem ich hier war, fiel auch die schlimmste Anspannung von mir ab. »Und du?«
»Hat Laura es dir denn nicht ausgerichtet? Ich versuche auch hinzukommen.«
»Ich habe noch nicht einmal meinen Anrufbeantworter abgehört. Ich … ich wollte einfach nur deine Stimme hören.«
»Ich bin am Reagan-Flughafen. Im Moment starten keine Flüge. Der Wind ist stärker geworden, und der Sturm wird bald hier sein.«
Wettermäßig war Washington, D. C, dem Vineyard ungefähr einen halben bis dreiviertel Tag voraus, je nachdem, wie viel der Hurrikan unterwegs an Geschwindigkeit zulegen würde. Gretchen würde morgen Nachmittag hier sein.
»Geh zurück ins Hotel. Der Flughafen hier ist wahrscheinlich schon geschlossen.«
»Das ist kein Problem. Mein Plan war, nach Boston zu fliegen und, wenn es nicht anders geht, erst morgen Vormittag zu kommen. Aber dann hatte ich einen Geistesblitz.«
»Und der wäre?« Ich lächelte, zog mir eine Decke über die Beine und rührte mit dem Finger die Eiswürfel im Glas um.
»Die Mietwagenfirmen sind in der Halle nebenan. Ich habe mir gedacht, ich miete ein Auto, dreh die Musik auf, fahre nach Woods Hole – und wenn ich die ganze Nacht unterwegs bin – und setze morgen früh mit der ersten Fähre über. Es gibt nichts Romantischeres als einen kräftigen Sturm. Wir können es uns übers Wochenende gemütlich machen und –«
Ich setzte mich auf, schwang die Beine über die Sofakante, wobei ich mich in der Mohairdecke verhedderte, und schrie in den Hörer: »Das kannst du nicht tun, Jake. Bitte tu das nicht!«
Hatte er vergessen, was mit Adam Nyman, meinem Verlobten, passiert war? Er war am Tag
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