Der Leichenkeller
hatten und dass sie ihm helfen – ja ihn sogar in ihre Familie aufnehmen wollten. Offensichtlich waren sie der Überzeugung, ihm eine bessere Zukunft bieten zu können.
»Sobald er erst einmal wieder unversehrt auftaucht«, sagte Hoyt, »kann ich die Leute vom Jugendamt wahrscheinlich überreden, Sie mit ihm sprechen zu lassen, solange das in einem außerbehördlichen Rahmen geschieht – ich möchte ihm keine weiteren Polizeireviere oder Gerichtssäle zumuten. Und natürlich unter der Bedingung, dass ich dabei sein kann.«
»Ich nehme an, Sie erwarten dafür eine Gegenleistung von mir?«
Hoyt richtete sich auf. »Ich möchte, dass Sie Andrew Tripping einen Deal vorschlagen. Ein bedingtes Schuldgeständnis. Etwas, das die vorliegende Sache beschleunigt und ihm eine sofortige Gefängnisstrafe einbringt, damit Dulles wieder durchatmen kann. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr dem Jungen die ganze Sache zusetzt – diese Hassliebe zu seinem Vater, die die Seelenklempner bezeugen können.«
Alle Psychiater kamen zu denselben Befunden. Der Junge empfand die natürliche Liebe eines Sohnes zu seinem Vater, überlagert von Angst. Er wusste, dass er sich in Sicherheit bringen konnte, wenn er die Wahrheit sagte, aber falls ihm der Richter oder die Geschworenen nicht glaubten, war er erneut seinem Vater ausgeliefert und in größerer Gefahr als zuvor.
»Die Möglichkeit stand Tripping von Anfang an offen«, sagte ich. »Ich habe mit Peter darüber gesprochen, die Anklage von einer Vergewaltigung ersten Grades zu einer Vergewaltigung dritten Grades herunterzustufen.«
»Tut mir Leid, im Strafrecht kenne ich mich nicht aus. Wo ist der Unterschied?«
»Die Haftdauer. Es ist nach wie vor ein Schwerverbrechen, aber es würde ihm weniger Jahre im Staatsgefängnis einbringen«, sagte ich. Der Fall war kompliziert. Die Hauptpunkte der Anklageschrift bezogen sich auf die Vergewaltigung von Paige Vallis. Ich hatte als Unterpunkte die körperliche Züchtigung des Jungen und die Kindeswohlgefährdung hinzugefügt, weil ich davon ausgehen konnte, dass sie in dem höherrangigen Gericht, vor dem der Vergewaltigungsprozess stattfand, mehr Beachtung finden würden. Es war eine unorthodoxe Vorgehensweise, aber ich hielt es für einen Versuch wert.
»Können wir nicht noch einmal –?«
»Dafür ist es zu spät, Graham. Ich habe der Verteidigung gesagt, dass das Angebot nur gilt, solange Paige nicht in den Zeugenstand treten und ihre Geschichte in der Öffentlichkeit erzählen muss. Der Ball war monatelang auf Andrews Seite, doch er wollte nicht spielen.«
»Aber Sie würden ihr die Peinlichkeit eines Kreuzverhörs ersparen. Dem Montag sieht sie sicherlich nicht mit Freuden entgegen.«
»Wissen Sie etwas, das ich nicht weiß?«, fragte ich. »Hat Peter irgendeine Überraschung für sie in petto?«
Bluffte er oder hatte Robelon noch mehr belastende Informationen, die Paige Vallis mir gegenüber bisher nicht er wähnt hatte?
Graham Hoyt legte den Kopf schief und dachte eine Moment nach. Zu lange für meinen Geschmack. Warum war die Anklägerin so oft die Letzte, die etwas erfuhr?
»Ich habe um halb fünf einen Termin auf der anderen Seite der Stadt«, sagte ich. »Ich glaube, wir sind uns einig, dass Dulles’ seelisches Wohlbefinden das Wichtigste ist. Dafür bin ich zu fast jedem Deal bereit. Aber wir müssen den Jungen schnell finden – oder alles Verhandeln ist sinnlos.«
»Natürlich ist es unser primäres Anliegen, ihn unversehrt zu finden.«
Wir unterhielten uns noch ein paar Minuten über die Bemühungen der Polizei und die Tatsache, dass es bisher noch keine schlechten Neuigkeiten gegeben hatte. »Es freut mich jedenfalls zu hören, wie optimistisch Sie sind, was Dulles angeht«, sagte ich lächelnd und stand auf.
»Es bleibt mir nichts anderes übrig. Jenna ist entschlossen, das Richtige für den Jungen zu tun. Es hat ihr das Herz gebrochen, keine Kinder zu haben, und hier böte sich uns die Möglichkeit, zwei Probleme auf einmal zu lösen«, sagte Hoyt. Sein düsterer Gesichtsausdruck verflog in Sekundenschnelle. »Wollen Sie sich noch ein bisschen umsehen, bevor Sie gehen? J. P. Morgans Narretei.«
»Gern.« Vielleicht würde ich für Paul Battaglia noch ein paar Dinge über Peter Robelon in Erfahrung bringen können; es schadete nie, etwas Insiderklatsch für den Boss zu haben. »Ich wusste nicht, dass Morgan für den Club verantwortlich war.«
»Nicht für den Club. Der wurde 1844 gegründet, auf einer
Weitere Kostenlose Bücher