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Der Leichenkeller

Der Leichenkeller

Titel: Der Leichenkeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Vorhang hob. Ich hatte meinen Pieper in den Vibriermodus geschaltet und in meine Handtasche auf dem Schoß gelegt, sodass ich unauffällig aus meinem Gangsitz schlüpfen konnte, falls mich in den nächsten Stunden jemand wegen Dulles zu erreichen versuchte.
    In der Pause nach dem zweiten Akt gingen wir in die Lobby, um uns die Beine zu vertreten und etwas zu trinken. An der Bar sah ich Mike Chapman gegen eine der Säulen gelehnt stehen, einen Cocktail in der Hand und im Programmheft blätternd.
    Nach all den Spannungen zwischen Jake und mir in der letzten Zeit hoffte ich, dass Mike nur deswegen einen unserer wenigen gemeinsamen Abende störte, weil er erfreuliche Neuigkeiten über den vermissten Jungen zu vermelden hatte. Jake folgte mir zu Mike, und ich versuchte, mir meine Enttäuschung über sein Erscheinen nicht anmerken zu lassen.
    »Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage.«
    »Falsches Stück«, sagte ich. »Hör zu, gibt es –?«
    »›Ja, da liegt’s: Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen, wenn wir die irdische Verstrickung lösten‹«, sagte Mike und gab mit seinem Wodka Gimlet in der Hand eine Hamletimitation zum Besten. »Tut mir wirklich schrecklich Leid, Jake, aber der nächste Tanz gehört mir. Es ist mal wieder so weit.«
    »Was? Lass das Rumalbern und rede ausnahmsweise so, dass man dich versteht«, sagte ich.
    »Es hat wieder einen Mord gegeben.«
    Er kippte seinen Drink hinunter und stellte sein leeres Glas auf die Bar.
    »Doch nicht etwa Dulles?« Ich schlug die Hand vor den Mund und war erleichtert, als Mike den Kopf schüttelte.
    »Das hier wird dir arg zusetzen, Coop. Auf geht’s, ich bin auf dem Weg ins erste Revier«, sagte er und nahm meine Hand. »Paige Vallis ist ermordet worden.«

16
     
    Ich konnte nicht begreifen, dass Paige Vallis tot war. Und es wollte mir nicht aus dem Kopf, dass Andrew Tripping das beste Mordmotiv hatte.
    Mike führte mich die zwei Treppen hinauf in die Einsatzzentrale. Aus den düsteren Mienen der Detectives, die mich begrüßten, schloss ich, dass sie wussten, wie erschüttert ich über den Tod meiner Zeugin war.
    Immer wieder hörte ich in meinem Kopf die Worte, die Richter Moffett zu Beginn der Verhandlung gesagt hatte: »Mord. Sie hätten ihn wegen Mordes anklagen sollen.«
    Er hat niemanden umgebracht, hatte ich gedacht. Nicht, dass ich es beweisen könnte.
    Ich hatte Mike auf der langen Fahrt zum südlichsten Polizeirevier Manhattans mit Fragen bombardiert, von denen er keine hatte beantworten können. Nun fingen wir damit an, nachdem ich einige der Detectives begrüßt hatte, mit denen ich schon zu tun gehabt hatte.
    »Wissen wir den genauen Todeszeitpunkt?«, fragte ich.
    Niemand antwortete.
    »Wer hat hier das Sagen?«, fragte Mike.
    Wir befanden uns im Territorium der Mordkommission Manhattan South außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs. Keiner der anwesenden Polizisten wollte sich gern von einem Kollegen aus dem Norden oder einer Staatsanwältin in einem schwarzen Abendkleid und eleganten, hochhackigen Schuhen die Leviten lesen lassen.
    »He, Squeeks. Bist du der Boss hier?«, sagte Mike und zeigte auf einen Mann, der im hinteren Teil des Zimmers gerade den Telefonhörer auflegte.
    Will Squeekist war fünf Jahre lang Detective im Rauschgiftdezernat gewesen und vor kurzem zur Mordkommission befördert worden. Der Spitzname, den ihm Mike vor Jahren auf der Polizeiakademie verpasst hatte, war hängen geblieben und passte zu dem schmächtigen Mann mit der Quiekstimme.
    »Kommt her und lasst uns anfangen«, rief Squeeks zurück. »Hallo, Alex, wie geht’s?«
    »Bis eben noch ganz gut.«
    »Nehmen Sie Platz«, sagte er und bot mir seinen Schreibtischstuhl an. In den meisten Einsatzzentralen der alten Reviere waren Sitzplätze Mangelware.
    »Nein danke. Bleiben Sie sitzen.«
    »Ich muss mit dem Rücken zu meinen Jungs stehen, während ich mir was von der Seele rede. Also, tun Sie mir den Gefallen und setzen Sie sich.«
    Squeeks trat vor seinen Schreibtisch und betrachtete mich. »Entschuldigen Sie die kühle Begrüßung, Alex. Aber ein paar von ihnen haben ein Problem damit.«
    »Womit?« Ich hatte ihre Begrüßung wohl falsch interpretiert.
    »Wie wir gehört haben, war die Tote eine Zeugin von Ihnen. Paige Vallis. Stimmt das?«
    »Ja. Wo ist das Problem?«
    Squeeks zögerte. »Sie wollen wissen, warum sie keinen Schutz hatte, irgend–«
    Mike kam mir zu Hilfe. »Habt ihr sie nicht mehr alle? Sie war Zeugin der Anklage in einem

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