Der Leichenkeller
»Lady Liberty, die in losem Gewände gegen den Wind marschiert. In ihrer linken Hand hält sie einen Ölzweig, in ihrer ausgestreckten rechten eine brennende Fackel. Am unteren Rand ist eine Miniaturabbildung des Capitols, achtundvierzig Sterne bilden den Rand der Münze, und unter den Füßen von Liberty brechen die Sonnenstrahlen hervor. Das Ausgabejahr war 1933.«
Mike nahm mir die Münze aus der Hand und drehte sie um. Auf der Rückseite stand über einer fein gestochenen Seitenansicht eines fliegenden Adlers der Nennwert der Münze in US-Währung: zwanzig Dollar.
»Sie haben eine davon auf einer Auktion verkauft?«, fragte Mike.
»Korrektur, Mr. Chapman. Machen Sie sich keine Hoffnungen. Wir haben die einzige Münze dieser Art auf einer Auktion verkauft. Im Juli 2002. Es war diejenige, die Faruk besessen hatte.«
»Sie meinen, dass davon nur eine geprägt worden ist. Deshalb sind Sie sich so sicher?«
»Nein, tatsächlich sind viele hergestellt worden, aber die Regierung hat sie nie ausgegeben. Sie sind alle zerstört worden.«
»Ich muss Sie einfach fragen, Sir, wie viel Sie dafür bekommen haben?«
Stark beantwortete Mikes Frage nur zu gern. »Es stand in allen Zeitungen, Mr. Chapman. Ich habe nichts zu verbergen.« Stark nahm Mike die PP-Münze aus der Hand und hielt sie zwischen Daumen und Mittelfinger hoch. »Der Doppeladler ging für mehr Geld über den Tisch als jede andere Münze in der Geschichte«, sagte er und warf sich stolz in die Brust. »Über sieben Millionen Dollar.«
Ich warf einen Blick auf Mercers drei Plastikbeutel mit angeblich seltenen Münzen, die alle zusammen nur ein paar tausend Dollar wert waren. Es schien mir unfassbar, dass ein einzelnes Goldstück mit einem Nennwert von zwanzig Dollar für sieben Millionen Dollar versteigert werden konnte.
Mike war ebenso ungläubig. »Also, nur mal angenommen, Mr. Stark, es gäbe davon eine zweite. Die gleiche wie die, die Sie da in der Hand halten. Nehmen wir mal an, wir würden sie bei den anderen finden und Ihnen bringen. Was würden Sie mir dafür geben?«
»Nichts, Mr. Chapman. Keinen Cent.«
Mike lachte. »Aber ich würde doch wenigstens meine zwanzig Dollar bekommen.«
»Nein, das stimmt nicht. Ihre hypothetische Münze wäre nicht einmal die zwanzig Dollar wert, die auf der Rückseite eingraviert sind. Die Münze war buchstäblich mit dem Tag, an dem sie hergestellt wurde, ungültig.«
Mike hielt seine Finger genauso wie Stark, nur dass er statt einer Münze ein Gänseei zu halten schien. »Nichts, nada, nothing.«
»Wenn Sie sie einschmelzen würden, würden Sie vermutlich den Preis des Goldgewichts bekommen, aber das wäre auch schon alles.«
»Wie das?«
»Sehr einfach, Detective. Nachdem die Münzanstalt die Münzen herstellt – das gilt für alle Münzen –, müssen sie zum gesetzlichen Zahlungsmittel gemacht werden, andernfalls bleiben sie – wie der Doppeladler – ungültig. Erst durch diese Prozedur, die das Finanzministerium bei jeder Währung wiederholen muss, wird eine Münze zum gesetzlichen Zahlungsmittel.« Stark seufzte. »Dass diese Münze so wertvoll ist, verdankt sie nur ihrer Geschichte, ihrer Einzigartigkeit.«
»Würden Sie mir bitte davon erzählen?«
»Aber gern. Wenn ich Ihnen genügend Unterhaltung biete, kann ich Ms. Cooper möglicherweise ein paar von diesen kleinen Schmuckstücken abluchsen. Ich würde gerne alles sehen, was Sie im Schrank der Dame gefunden haben.«
Er begann mit der Zeit nach dem Goldrausch der 1840er Jahre, der die junge amerikanische Nation zu einem der reichsten Länder der Welt machte. »Die Münzanstalt der Vereinigten Staaten brauchte angesichts der boomenden Wirtschaft einen neuen Nennwert, etwas Höheres als das ursprüngliche Ein-Dollar-Goldstück. Der bis dahin höchste Nennwert war die Zehn-Dollar-Münze gewesen. Also brachte man eine Gesetzesvorlage in den Kongress ein, zur Einführung eines Zwanzig-Dollar-Stücks, das mit beinahe einer ganzen Unze Gold gegossen wurde.«
Stark ging wieder an die Glasvitrine und kam mit einigen Münzen zurück. »Von diesen Zwanzig-Dollar-Goldmünzen existieren jede Menge«, sagte er. »Zwischen 1850 und 1933 gab es fast jedes Jahr eine Prägung.«
Ich inspizierte die ältere Version, die er mir reichte. »Diese hier ist nicht annähernd so elegant wie die Ihre, hab ich Recht?«
»Das haben Sie Teddy Roosevelt zu verdanken. Während seiner Präsidentschaft lernte er zufällig den Mann kennen, den die meisten für Amerikas
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