Der leiseste Verdacht
ihm vorzuwerfen?«
»Dass er in Anwesenheit anderer Leute, zum Beispiel meiner Exfrau, über mich hergezogen ist. Marianne hat er dreiste Lügen über mich erzählt.«
»Hat er? Was zum Beispiel?«
»Als er sie bedroht hat, weil sie ihm nicht sagen wollte, wo ich mich befinde, da hat er behauptet …«
Roffes Schinkenbrot verharrte einen Moment in der Luft, ehe es auf Gudruns Schreibtisch klatschte.
Er fixierte Axel mit funkelnden Augen. »Du hast doch vorhin behauptet, sie seit Oktober nicht mehr gesehen zu haben«, sagte er frostig. »Wie kannst du dann wissen, dass er sie bedroht hat?«
Axel schlug schweigend die Augen nieder. Er atmete schwer.
»Denk nicht zu viel nach«, sagte Roffe scharf, »sonst machst du alles nur noch schlimmer.«
»Ich weiß, was ich vorhin gesagt habe«, entgegnete Axel mit beleidigter Miene, »und vielleicht entsprach das nicht ganz der Wahrheit, aber ich dachte, das sei nicht so wichtig …«
Roffe platzte der Kragen. »Was wichtig ist und was nicht, überlässt du gefälligst uns. Du sollst die Wahrheit erzählen.
Dazu bist du hier. Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
»Ich verstehe nicht, was daran so wichtig sein soll. Aber gut, wenn du’s genau wissen willst, das war jetzt im April.«
»Warum?«
»Weil ich wissen wollte, wie Enqvist auf meine Flucht reagiert hat und was er für Maßnahmen ergreift, um mich zu schnappen.
Außerdem wollte ich ihr einen Vorschlag machen. Während des halben Jahres in Dänemark habe ich viel Zeit zum Nachdenken gehabt, und so fragte ich sie, ob sie mit mir nach Kanada gehen 377
wollte. In gewisser Weise habe ich um ihre Hand angehalten.
Das war es, was ich vorhin nicht sagen wollte.«
»Ich verstehe …«, entgegnete Roffe mit mühsamer Beherrschung. »An welchem Tag hast du sie besucht?«
»Das … weiß ich nicht mehr genau. Hast du einen Kalender?«
Roffe gab ihm seinen Taschenkalender.
Axel studierte ihn eine Weile.
»Das muss der Zwanzigste gewesen sein, ein Donnerstag«, sagte er kurz darauf.
»Und während ihr über eure gemeinsame Zukunft gesprochen habt, seid ihr auch auf die Idee mit dem Brief gekommen, in dem steht, dass es sich bei der Leiche in der Jauchegrube wahrscheinlich um dich handelt?«
Axel schwieg. Mit provozierender Langsamkeit streckte er den Arm nach seiner Kaffeetasse aus und leerte sie.
»Na, wird’s bald?« Roffe konnte sich kaum noch beherrschen.
»Ja«, kam es widerwillig.
»Wie seid ihr auf diese glänzende Idee gekommen?«
»Es war eine Laune des Schicksals, die mir in die Hände spielte, und ein solches Glück musste ich einfach nutzen. In der Dagens Nyheter las ich zufällig, dass in einer Jauchegrube auf einem Bauernhof in der Nähe von Christiansholm eine Leiche gefunden wurde. Ich kaufte mir die Christiansholmsposten, um weitere Details zu erfahren. Ich traute meinen Augen nicht, als ich erfuhr, dass es sich bei dem Hof um Knigarp handelte, denn natürlich wusste ich ganz genau, wer in unmittelbarer Nachbarschaft von Knigarp wohnt. Außerdem stand in der Zeitung, die Leiche sei so zerfressen gewesen, dass man sie nicht habe identifizieren können. Plötzlich passte alles zusammen: Ich wollte verschwinden. Ich wollte, dass der Kreis aufhörte, nach mir zu fahnden. Außerdem war mir PM
nachweisbar auf den Fersen. Ja, er hat sogar gedroht, mich 378
umzubringen, und zwar im Oktober. Die Leiche sollte ungefähr ein halbes Jahr in der Grube gelegen haben, genauso lange, wie ich verschwunden war. Meine Adresse in Christiansholm hatte er von Marianne erfahren. Es passte wirklich alles perfekt zusammen.«
Roffes Augen blitzten streitlustig. »Und du hattest natürlich keine Bedenken, PM den Mord anzuhängen, nachdem du ihn vorher bereits betrogen hattest.«
»Ehrlich gesagt habe ich nie geglaubt, dass man ihn wirklich des Mordes verdächtigen würde. Es ließ sich ja nichts beweisen.
Und ich konnte es nur begrüßen, dass die Zeitungen schrieben, bei der Leiche handle es sich vermutlich um mich.«
»Hast du bei der Dagens Nyheter angerufen und ihnen den Tipp mit der ›in Kunstkreisen bekannten Persönlichkeit‹
gegeben?«, fragte Roffe.
»Ja, ich wollte eine Veröffentlichung erreichen, aber sie weigerten sich, irgendeinen Namen zu nennen.«
»Und was hast du getan, nachdem du Marianne dazu gebracht hattest, diesen Brief zu schreiben?«
»Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst.«
»Was hat sie eigentlich zu deinem Angebot gesagt?«
»Die Sache ging ihr etwas zu schnell.
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