Der leiseste Verdacht
natürlich vor. Wir machen dann später weiter.«
Als Roffe leicht verwirrt in sein Büro zurückkehrte, erhob sich Lennart Roos aus seinem Stuhl und streckte ihm die Hand entgegen. Roffe ergriff sie und sagte mit Enthusiasmus: »Also das ist aber eine freudige Überraschung! Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?«
Roos lächelte bescheiden, als sei er es gewohnt, überschwänglich begrüßt zu werden. Sein Äußeres wirkte so maßgeschneidert und untadelig wie bei ihrer ersten Begegnung.
»Ich habe einiges auf dem Herzen«, begann er. »Und Sie kennen ja meine Abneigung, wenn es darum geht, wichtige Dinge am Telefon zu besprechen.«
»Bitte, nehmen Sie doch Platz.« Roffe deutete entschuldigend auf den hässlichen und unbequemen Besucherstuhl, der nicht einmal entfernt Ähnlichkeit mit dem komfortablen Sessel besaß, den Roos ihm angeboten hatte. »Ich gebe nur eben Bescheid, dass wir nicht gestört werden wollen«, sagte er und verließ das Zimmer. Vera saß in ihrem Büro, doch ehe er den Mund aufmachen konnte, kam sie ihm zuvor: »Hab schon verstanden: Ich werde alle Anrufer abwimmeln. Wer zu Ihnen will, muss mich vorher erschießen, und wenn ein Krieg ausbricht, werde ich Sie erst mal fragen, ob Sie das interessiert.«
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»Sie nehmen mir die Worte aus dem Mund«, entgegnete er und warf ihr eine Kusshand zu. »Sie sind eine Perle.« Zurück in seinem Büro, sagte er mit gespannter Erwartung: »Ich stehe voll und ganz zu Ihrer Verfügung.«
Roos nestelte an seiner Sonnenbrille. »Entschuldigen Sie bitte, dass ich die Brille auflasse. Es ist sehr hell hier drinnen.«
Vor dem riesigen Fenster, das beinahe die gesamte Wandfläche einnahm, befand sich nur eine dünne Gardine.
»Selbstverständlich.«
Roos schlug die Beine übereinander, umfasste mit beiden Händen sein Knie und wandte Roffe seine dunklen Gläser zu.
»Zunächst möchte ich Ihnen für Ihren Bericht danken, den ich aufmerksam gelesen habe. Ich habe auch den Rapport unserer Stockholmer Kollegen zur Kenntnis genommen, sodass ich ziemlich genau zu wissen glaube, was sich hier und in Stockholm abgespielt hat. Und in Mjölby natürlich auch. Die Stellungnahmen waren sehr aufschlussreich, haben jedoch auch einige Befürchtungen geweckt …«
Roffe nickte schweigend.
Roos fuhr fort: »Interpol konnte mir keine weiteren Informationen zu Marco Fermi liefern, und Fermi selbst schweigt beharrlich, wie ich gestern erfahren habe. Trotzdem oder gerade deshalb bin ich weitgehend davon überzeugt, dass Fermi für eine Verbrecherorganisation arbeitet, möglicherweise dieselbe, die von Nygren unterwandert wurde. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum sich Fermi ausgerechnet auf seinem Hof beworben hat und warum Nygren ihn so unbedenklich anstellte. Vergessen wir nicht den Hinweis seiner Frau, Nygren und Fermi hätten sich bereits länger gekannt … ein Hinweis, der mir im Lichte der Ereignisse umso bedenkenswerter erscheint. Weiterhin besteht der Verdacht, den ich Ihnen bereits in Stockholm mitgeteilt habe, dass nämlich Nygren durch einen Maulwurf aufgeflogen sein könnte. Eine 430
äußerst beunruhigende Möglichkeit. Was Axel Hemberg betrifft, so sind seine Aussagen über den so genannten Kreis, mit dem er in Verbindung stand, bezeichnend. Hemberg hatte zu ihm nur eine lose Verbindung und weiß nichts über seinen Aufbau. Aus Enqvist und seinen beiden gefährlichen Handlangern ist nichts herauszubekommen. Natürlich wissen wir nicht, ob Fermis Organisation dieselbe ist, für die auch Hemberg tätig war, aber Sie selbst haben ja auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Leiche in der Jauchegrube und dem Mord in Stockholm hingewiesen. Hemberg war eine Art Bindeglied, und für Fermi gilt dies in noch größerem Maße. Leider kommen wir nicht recht weiter, was die Leiche auf Knigarp betrifft, und Ihrem Bericht entnehme ich, dass auch Sie wenig Hoffnung haben, den Fall noch lösen zu können.«
Roffe fühlte sich zu einem Widerspruch gezwungen. »Das würde ich so nicht sagen. Es spricht immer mehr dafür, dass es sich um Kwiatkowski handelt. Wir haben Kontakt zu seinen Angehörigen in Polen bekommen, die seit sieben Monaten kein Lebenszeichen von ihm erhalten haben.«
Roos schüttelte kaum merklich den Kopf. »Ich würde eine ziemlich hohe Wette eingehen, dass der Pole sich bester Gesundheit erfreut«, entgegnete er.
»Dann müssen Sie besser informiert sein als ich«, sagte Roffe.
»Ja, das bin ich wohl. Doch um zum
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