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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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dass die Polizei das Opfer eines Verbrechens gegen seinen Willen festhält. Sie wollen mich doch wohl nicht dafür bestrafen, dass ich das Opfer von Raubmördern wurde.«
    »Raubmörder?«, fragte Gudrun. »Kannten Sie die Männer denn nicht?«
    Kurzes Schweigen.
    »Ich habe sie noch nie in meinem Leben gesehen!«, rief er aufgebracht. »Das ist wirklich nicht die Sorte von Leuten, mit der ich Umgang pflege. Ich wurde auf offener Straße überfallen 355
    und entführt. Ich habe einen Schock erlitten und brauche vor allem einen Arzt. Soll ich jetzt erneut meiner Freiheit beraubt werden? Von der Polizei selbst? Ich dachte, Sie würden zumindest ein Minimum an Rücksichtnahme zeigen.«
    Gudrun ignorierte seine Bemerkung. »Woher wissen Sie, dass die Männer Sie töten wollten?«, fragte sie neugierig.
    »Das versteht sich doch von selbst. Sie haben mich fortwährend bedroht, und Sie haben doch selbst gesehen, wie viele Waffen sie dabei hatten. Nachdem sie mir alles gestohlen hatten, wollten sie, dass ich etwas unterschreibe, damit sie an mein Konto herankommen. Was sie danach mit mir vorhatten, ist wohl nicht schwer zu erraten.«
    Gudrun nickte und sagte nachdenklich: »Ich verstehe. Haben Sie denn viel Geld auf dem Konto?«
    Axel starrte finster vor sich hin und antwortete nach einiger Bedenkzeit: »Ein paar Millionen.«
    »Nicht übel«, entgegnete Gudrun beeindruckt. »Da hatten die Männer aber Glück. Sie hätten ja auch an einen armen Schlucker geraten können.«
    Axel schien der Verlauf ihres Gesprächs nicht zu behagen. Er wand sich unruhig hin und her, als habe er zwischen den beiden Polizisten plötzlich zu wenig Platz.
    »Den armen Schlucker hätten sie vermutlich wieder laufen lassen«, sagte er mit offensichtlichem Unverständnis über ihre Naivität, »aber zufällig sind sie an den Geschäftsmann Arne Hansson geraten, der in Eskilstuna auf der Durchreise war.
    Leider hatte ich ein paar Dokumente dabei, die auf ihr Interesse stießen.«
    »Arne Hansson, ist das Ihr Name?«
    »Gewiss, und wenn Sie mir nicht glauben, dann kontrollieren Sie doch meine Papiere, die sich hoffentlich ebenfalls auf dem Weg zum Präsidium befinden.«
    356
    Obwohl Roffe diesem aufschlussreichen Gespräch gern noch länger zugehört hätte, fand er es an der Zeit, sich zu erkennen zu geben. Er gab die Rolle des anonymen Polizisten auf und sagte mit leiser, aber deutlich vernehmbarer Stimme: »Ich gratuliere dir, Axel.«
    Der vorgebliche Arne Hansson glaubte sicher, sich verhört zu haben; dennoch drehte er den Kopf und brauchte beim Schein der Straßenbeleuchtung nur wenige Sekunden, um Roffe wiederzuerkennen. Entgeistert starrte er ihn an. Roffe lächelte ihm freundlich und, wie er hoffte, beruhigend zu, denn er empfand in diesem Moment großes Mitleid mit Axel.
    »Wir haben uns lange nicht gesehen«, sagte er.
    »Roffe … was tust du denn hier?«
    »Ich soll dich identifizieren. Normalerweise arbeite ich in Christiansholm.«
    »Was hast du eben gesagt?«
    »Dass ich dir gratuliere.«
    »Wozu?«
    »Dazu, dass es sich bei der nicht identifizierten Leiche aus der Jauchegrube ganz offensichtlich nicht um dich handelt, und dazu, dass du auch heute dem Tod von der Schippe gesprungen bist. Einem solchen Überlebenskünstler darf man gratulieren, finde ich.«
    Obwohl Axel in dieser Hinsicht nicht widersprechen konnte, schien er von seinem großen Glück nichts mehr wissen zu wollen. Sein Ausdruck war nun wieder äußerst konzentriert, als versuche er hartnäckig, sich der neuen Situation anzupassen.
    Roffe ließ keine Zeit verstreichen, sondern übernahm nach einem raschen Blickwechsel mit Gudrun das Verhör.
    »Außerdem bin ich hier, um dir ein paar Fragen zu stellen, die für mich von größtem Interesse sind. Da ich morgen früh nach Christiansholm zurückmuss, werde ich sie dir jetzt stellen. Arne 357
    Hansson sollten wir schnellstens vergessen. Du gibst zu, dass du Axel Hemberg bist?«
    Axel nickte resigniert. »Aber es ist nicht alles so einfach, wie du dir das vorstellst«, murmelte er verärgert.
    »Sicher nicht.«
    »In gewisser Weise bin ich erleichtert, dass alles vorbei ist. Ich glaube, viel länger hätte ich das auch nicht durchgehalten. Wenn du wüsstest, unter welch gewaltigem Druck ich stehe.«
    Roffe kannte Axels geistige Flexibilität und wusste, dass sich dieser bereits gut auf die gegenwärtige Situation eingestellt hatte.
    »Ich kann es mir denken«, sagte er verständnisvoll. »Aber vermutlich wissen wir mehr, als

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