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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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Reserviertheit Nygrens empfanden sie Marco Fermi wie eine wohltuende frische Brise an einem warmen Sommertag. Als er sie bemerkte, leuchtete sein Gesicht auf, als wäre ein nettes Plauderstündchen mit den beiden Polizisten der Höhepunkt des Tages.
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    »Hallo!«, rief er ihnen zu. »Nehmen Sie Platz. Ich wollte gerade Kaffee machen. Möchten Sie auch eine Tasse?«
    Wagnhärad zögerte. Dieses ständige Kaffeetrinken gehörte seiner Meinung nach zu den wirklichen Berufsrisiken eines Polizisten, doch er gab sich aufgrund von Fermis
    Warmherzigkeit und Berghs offenkundiger Begeisterung geschlagen.
    »Danke, das wäre sehr schön«, log er ohne Schwierigkeiten.
    Auch er begann nach dem plötzlichen Klimawechsel
    aufzutauen. Dieser Fermi war ihm von Anfang an sympathisch.
    Ein offener und unkomplizierter Kerl, ein wenig unreif vielleicht, aber fraglos intelligent. Er hätte sich nicht gewundert, würde sich Fermi als passionierter Schürzenjäger erweisen.
    Gegenüber diesem Aussehen und diesem Charme musste eine gewisse Sorte von Frauen einfach verloren sein. Er fragte sich, wie viele Tränen seine stille und scheue Frau deswegen schon vergossen haben mochte.
    Fermi stellte einige Plundertaschen zwischen die Rechnungen und Futterlisten, die auf dem Tisch lagen.
    »Die hat meine Frau gebacken«, sagte er stolz und biss genüsslich in eine hinein. »Plundertaschen sind ihre Spezialität.«
    Aus einer Thermoskanne goss er Kaffee in drei Plastikbecher und lehnte sich mit zufriedener Miene zurück.
    »Viel zu tun?«, fragte Bergh mit Blick auf die Papiere, die auf dem Tisch lagen.
    Fermi rümpfte seine hübsche Nase, schnaubte verächtlich und machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Das ist wirklich ein öder Job«, entgegnete er. »Den erledige ich im Schlaf. Eigentlich bin ich eine abwechslungsreichere Arbeit gewohnt. Früher habe ich jede Menge Leute getroffen.
    Aber hier gibt es nur Schweine.«
    Er warf den Kopf nach hinten und lachte fröhlich auf.
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    »Aber ich mag Schweine«, fügte er hinzu, während er sich eine weitere Plundertasche in den Mund stopfte.
    »Sie sind früher Lastwagen gefahren?«
    Fermi nickte vehement. »Super Job. Wenn man das mag. Aber nicht gut für die Gesundheit. Schlechte Luft und immer viel Stress. Das hat mir am Ende so zugesetzt, dass ich aufs Land gezogen bin. Dieser Job macht zwar keinen Spaß, ist aber gut für die Gesundheit. Die Luft ist gut. Ich liebe die schwedische Natur.«
    »Die Natur in der Schweiz ist doch auch nicht zu verachten«, entgegnete Wagnhärad höflich.
    Marco Fermi wurde ernst. »Ich liebe meine Heimat«, sagte er mit Pathos. »Manchmal macht mich die Sehnsucht nach den Bergen ganz krank.«
    Wagnhärad wusste seit ihrem ersten Gespräch, dass Fermi die schweizerische Staatsangehörigkeit besaß, sich im Grunde seines Herzens jedoch als Italiener fühlte. Er war in einer schweizerischen Stadt unmittelbar an der italienischen Grenze zur Welt gekommen, und seine Familie wohnte in Italien.
    »Fahren Sie manchmal zu Ihrer Familie nach Hause?«, fragte er.
    »Ja, sehr oft. Wenn ich mir Urlaub nehme, fahre ich immer nach Hause, um Freunde und Verwandte zu besuchen.« Er lachte erneut.
    »Danach kehre ich wieder in den kalten Norden zurück, um mich abzurackern. Zu Hause finde ich keine Arbeit.« Er schlug sich mit der Faust dramatisch gegen die Brust: »Schweden ist ein gutes Land, aber das Herz bleibt kalt.«
    Wagnhärad bemerkte, dass Fermi immer nur von sich sprach, und fragte sich, ob ihn seine Frau jemals in sein sonniges Heimatland begleiten durfte und warum es ihr nicht gelang, sein Herz im kalten Norden zu wärmen.
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    »Wir möchten Sie um Ihre Mithilfe bei unseren Ermittlungen bitten«, sagte er.
    Fermi setzte eine feierliche Miene auf. »Ah, ich weiß. Diese schreckliche Geschichte. Ich würde Ihnen sehr gern behilflich sein.«
    Wagnhärad wartete, damit Bergh seinen Notizblock zücken konnte.
    »Wir hätten gern alles gewusst, was Sie uns über Ihren Nachbarn Patrik Andersson sagen können.«
    Marco Fermi schien verblüfft. »Hat er etwas angestellt?«, rief er aus.
    »Das wissen wir nicht, aber es besteht eine Verbindung zwischen ihm und einer Person, bei der es sich möglicherweise um die Leiche in der Jauchegrube handeln könnte. Wie gut kennen Sie ihn? Ich meine, reden Sie öfter miteinander?«
    Fermi machte große Augen. »Wir reden sehr oft miteinander.
    Vielleicht nicht jeden Tag, jedoch immer, wenn wir uns sehen.
    Er benutzt den Briefkasten, der

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