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Der leiseste Verdacht

Der leiseste Verdacht

Titel: Der leiseste Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Brink
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wollte. Sie lächelte tapfer, sah jedoch gequält aus.
    »Was Nils Hallman sagt, darf man nicht unbedingt für bare Münze nehmen«, sagte sie. »Er ist schon ziemlich alt und ein bisschen versponnen, und Kalle Svanberg kann gar nicht wissen, wann genau der Pole aufgehört hat. Er wohnt schließlich ein ganzes Stück entfernt.«
    »Svanberg hat ausgesagt, er und seine Frau hätten den Polen am zwanzigsten September zum Abendessen eingeladen gehabt, doch sei er nicht gekommen, was sie sehr merkwürdig fanden, weil er eigentlich ein zuverlässiger Mensch sei, der sie sicher benachrichtigt hätte, wenn er verhindert gewesen wäre. Sie haben nie wieder etwas von ihm gehört.«
    »Was Sie nicht sagen?«, entgegnete sie indigniert. »Ich hatte keine Ahnung, dass sie Umgang mit diesem Kerl pflegten, und es fällt mir auch schwer, das zu glauben.«
    »Wir sollten ihn vielleicht beim Namen nennen«, schlug Wagnhärad vor und wandte sich an Ragnar Sandström. »Wie hieß er?«
    »Diese polnischen Namen kann ich nicht aussprechen«, sagte er mürrisch.
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    »Mein Mann hat ihn Kalle genannt«, schaltete sich Frau Sandström nervös ein. »Eigentlich hieß er Karel mit Vornamen, aber den Nachnamen weiß ich nicht mehr, der war so lang und kompliziert.«
    Wagnhärad bekam Lust, sie ein wenig zu piesacken, und sagte betont beiläufig: »Wir können uns ja bei der
    Einwanderungsbehörde erkundigen, oder, noch besser, beim Finanzamt. Sie haben ja schließlich Sozialabgaben für ihn geleistet.«
    Nach betretenem Schweigen rief Märta Sandström, ganz wie er erwartet hatte, plötzlich aus: »Jetzt fällt es mir wieder ein!
    Wir haben doch später noch diesen Brief an ihn bekommen.
    Sicherheitshalber habe ich ihn aufgehoben, aber wo nur?«
    Energisch stand sie auf und eilte in das angrenzende Zimmer.
    Der Dackel wackelte hinter ihr her, während ihr Mann wie angewurzelt sitzen blieb und die Wand anglotzte.
    »Hier ist er.« Triumphierend wedelte sie mit einem weißen Umschlag und gab ihn Wagnhärad.
    »Karel Kwiatkowski«, las er laut.
    »Wer soll sich schon an solch einen Namen erinnern!«, maulte Sandström.
    Seine Frau lachte gekünstelt. »Ragnar hat schon immer Schwierigkeiten mit Namen gehabt, selbst schwedische bereiten ihm manchmal Probleme. Ach, wie gut, dass mir dieser Brief wieder eingefallen ist.«
    »Und Sie bleiben dabei, dass er am dreiundzwanzigsten aufgehört hat?«, fragte Wagnhärad mit Blick auf Herrn Sandström, der wiederum seine Frau auffordernd anschaute.
    »Ja«, sagte sie, wirkte jedoch zunehmend verunsichert. »Da bin ich ganz sicher.«
    »Wissen Sie, was er vorhatte?«
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    »Ich hatte den Eindruck, dass er zurück nach Polen wollte«, sagte sie vage. »Ist das denn wichtig?«
    »Ja, da ein Hinweis existiert, bei der Leiche in der Jauchegrube könnte es sich um Herrn Kwiatkowski handeln, würde es unsere Recherchen sehr erleichtern, wenn wir wüssten, wo er hin ist.«
    Märta Sandström gab einen gequälten Laut von sich, während ihr Mann sich mit einem lauten Räuspern begnügte.
    »Aber das ist doch unmöglich«, sagte sie leise.
    Da erhob auch Herr Sandström seine unverkennbare Stimme.
    »Wenn Hallman, der alte Dieb, das behauptet hat, können Sie sicher sein, dass es nicht stimmt. Der ist nicht ganz richtig im Kopf. Das Einzige, wovon der was versteht, sind Schweine.«
    Wagnhärad zitierte aus seinen Aufzeichnungen: »Herr Hallman hat ausgesagt, er sei Zeuge eines heftigen Streits zwischen seinem Arbeitgeber und dem Polen gewesen. Der Streit hätte sich am Dienstag, dem zwanzigsten September zugetragen, und zwar sei es dabei um Geld gegangen, genauer gesagt um seinen Lohn, den der Pole einforderte. Er hätte auf eine mündliche Vereinbarung mit Ihnen, Herr Sandström, verwiesen, von der Sie angeblich nichts mehr wissen wollten.
    Dem Streit folgte ein Handgemenge, und Herr Hallman hatte den Eindruck, dass Herr Kwiatkowski von Herrn Sandström angegriffen worden sei und sich kaum habe wehren können. Sie hätten ihm auch mit der Polizei gedroht, hat Herr Hallman ausgesagt. Das sei am Nachmittag geschehen, nachdem der Pole aufgehört hatte. Das letzte Mal sah Herr Hallman den Polen mit blutiger Nase, nachdem er einen Schlag ins Gesicht bekommen habe. Herr Kwiatkowski habe zu ihm gesagt, er werde keinesfalls klein beigeben, sondern beharre auf seiner Forderung. Am nächsten Tag sei er verschwunden gewesen. Als Herr Hallman sich bei seinem Arbeitgeber nach Herrn 194
    Kwiatkowski erkundigte, habe ihm

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