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Der letzte Abend der Saison

Der letzte Abend der Saison

Titel: Der letzte Abend der Saison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Jungen.
    Er bekam den Ball wieder, lief drei Schritte und spielte ihn nach rechts ab. Um den Metallzaun standen Leute. Die Sonne befand sich nun hinter den Birken und der halbe Platz lag im Schatten. Da der Junge sich in der Mitte bewegte, lief er die ganze Zeit vom Schatten in die Sonne und wieder in den Schatten.
    Der Bruder sagte etwas.
    »Wie?«
    »Du musst nicht ins Hotel zurück.«
    »Wie?«
    »Komm nachher mit mir nach Hause. Wir müssen reden.«
    »Du gibst niemals auf.«
    »Er weiß, dass morgen jemand zu Besuch kommt«, sagte der Bruder.
    »Mein Gott. Wie hast du sie denn dazu gebracht?«
    »Die Menschen verändern sich. Ich kann nicht genau sagen, wann so etwas passiert«, sagte der Bruder.
    Er spürte, dass er zitterte.
    »Ich weiß nicht, ob ich das kann«, sagte er.
    »Ich werde dir helfen.«
    Er versuchte, den Bewegungen des Sohnes zu folgen, doch alles war wieder verschwommen. Die Sonne kroch noch weiter nach unten und jetzt lag ein noch größerer Teil des Platzes im Schatten. Er hörte nichts außer den Signalen der Trillerpfeife. Keine Rufe, keine Stimmen, kein Wind, kein Moped.
    »Willst du gehen?«, fragte der Bruder in der Pause.
    »Nein.«
    »Woran denkst du?«
    »Es ist so still hier.«
    »Im Moment ja.«
    »Nein, vorher war es auch still.«
    Der Bruder antwortete nicht.
    »Ich denke an ein Bild im Hotelzimmer«, sagte er. »Es sieht aus wie irgendein naives Stadtporträt, aber ich bin nicht sicher, ob das die Absicht des Künstlers ist. Die Proportionen sind nur ein klein wenig verschoben, ich kann nicht beurteilen, ob es gute oder schlechte Kunst ist, und deshalb kann ich mich nicht entscheiden, was ich davon halte. Ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht.«
     
    Sein Gesicht war unbeweglich, so, als würde er nicht mehr leben. Ich wusste, dass er schlief, aber man hörte kein Schnarchen, gar nichts. Keine Geräusche, die ein Schlafender gewöhnlich macht. Er lag auf dem Rücken. Diese Art zu schlafen hatte ich von ihm geerbt. Was hatte ich noch geerbt? Ich dachte darüber nach, während ich dasaß und darauf wartete, dass er aufwachte. Es war früher Abend. Das Zimmer roch nach Alkohol und Tabak. Die Gardinen hingen still, unbeweglich wie das Gesicht meines Vaters.
    Das Licht ruhte auf dem Stuhl, der neben dem Bett stand, nahe seinem Kopf. Ich konnte die Tabakkrümel sehen, die über der Sitzfläche und auf dem Fußboden unter dem Stuhl verstreut lagen, wie eine Schicht brauner Staub, der sich verteilt hatte, als er versuchte, seine Zigaretten zu drehen. Auf dem Stuhl lag eine Zeitung. Mit der pflegte er Fliegen zu erschlagen. In diesem Spätsommer waren es große und viele gewesen. Die Flaschen standen unter dem Stuhl, ein Stück weiter weg lag ein Glas, als wäre es auf den Boden gefallen und in einem Halbkreis weggerollt.
    Das Foto von der Familie stand auf dem Fußboden zwischen den Flaschen. Er musste es kürzlich angeschaut haben, denn es befand sich nicht auf der Kommode, wo es gewöhnlich stand.
    »Was machst du hier?«
    Er hatte sich nicht gerührt, aber vielleicht war er schon lange wach gewesen, hatte mich vielleicht beobachtet, als ich in die Hocke gegangen war und das Foto betrachtet hatte. Ich hatte es so oft gesehen, zuerst dort und dann hier, auf verschiedenen Kommoden, in verschiedenen Häusern. Ich saß zwischen meinem Vater und meiner Mutter. Keiner von uns auf dem Foto schien am Leben zu leiden.
    Ich stand auf, sah auf ihn herab. Er legte den einen Arm unter den Kopf.
    »Bist du schon lange hier?«, fragte er.
    »Nein.«
    »Du hättest mich doch wecken können.«
    »Ja.«
    »Wie spät ist es?«, fragte er, drehte sich auf die Seite und sah die Wand an, wo die Zeit seit einer furchtbaren Ewigkeit schon stehen geblieben war. »Weißt du, wie spät es ist?«, fragte er wieder und wandte sich zu mir um.
    Ich sah auf meine Armbanduhr. »Halb sieben.«
    »Halb sieben? So spät? Das war’s dann mit diesem Tag.«
    »Mama ist tot«, sagte ich.
    »Was?«
    »Mama ist tot.«
    »Was redest du da?«
    »Deshalb bin ich hier. Mama ist tot.«
    Er setzte sich auf, plötzlich mit Farbe im Gesicht, eine Ansammlung von Blut unter den Augen. Ich sah, dass er zu der Fotografie blickte. Da wollte ich gern fragen, warum er sich das Bild kürzlich herangeholt hatte, warum er es an einen anderen Platz gestellt hatte, es angeschaut hatte.
    »Sie ist tot?«
    »Sie ist heute Morgen gestorben.«
    »Aber sie … sie … war doch nicht alt«, sagte er, als ginge es bei Leben und Tod nur um das

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