Der letzte Aufstand
der eigenen Auflösung brachte Petes Blut zum Kochen. Er stemmte sich mit aller Kraft gegen den Schub der Hände in seinem Rücken. Aber die Kraft der Männer war unüberwindbar. Einen halben Meter vor dem Tuch hoben sie ihn hoch, als sei er ein Sack Federn. Dann liessen sie ihn fallen.
Pete fiel tief. Doch er fiel nicht in eine Dunkelheit, sondern in ein grelles Licht, das so hell war, dass er seine Augen schliessen musste und die Hände schützend vor‘s Gesicht hielt. Sein Körper schien durch die Ewigkeit zu gleiten, bis er plötzlich einen Widerstand spürte, der sich zunehmend vergrösserte, bis er zum Stillstand kam. Die Angst war wieder weg, aber die Ratio blieb ausgeschaltet. Er hielt die Augen geschlossen und wartete darauf, dass irgend etwas geschehen würde.
Stille. Ein lauer Windstoss. Der Geruch von Pfirsichblüten und Seeluft. Er wartete. Was jetzt?
„Du kannst die Augen öffnen.“, hörte er die Stimme von Tam.
Pete nahm die Hände vom Gesicht. Er öffnete die Augen. Er schwebte etwa einen halben Meter über einem Boden, der mit Holzschnitzeln bedeckt war.
„Bewege dich in meine Richtung. Etwa zwei Meter, dann hört das Kraftfeld auf.“
Tam stand vielleicht drei Meter von ihm entfernt. Hinter ihm war ein Palast mit zwei schrägen Türmen. Ein Wasserweg trennte den kleinen Wald, wo Tam und er in einer Lichtung mit Umhagung standen, vom Palast. Verschiedene Flosse lagen angetaut vor dem Ufer.
„Wo bin ich?“
„Du bist in Taaah. Bewege dich zu mir, damit die anderen andocken können.“
☸
Des Monts d’Ardèche, Frankreich, 5 Tage nach „Tag X“
Luc schaute auf die Uhr. Das nächste Update würde in knapp zwei Minuten über die Bühne gehen. Er stemmte sich hoch und machte sich auf den Weg zu Danielle, die bereits im Kommunikations-Zimmer war.
Sie hatte ihren Begleiter bereits angesteckt, aber ihre langen braunen Haare hatten sich mit dem kleinen Gerät angelegt. Sie versuchte geduldig die einzelnen Haarsträhnen aus dem Begleiter zu lösen, überliess die Befreiung dann aber gerne Luc, als er Hand anlegte.
Kurz darauf klingelte es. Der Anruf kam aus Paris; Kahil und Lea beriefen die Konferenz ein. Danielle klickte auf das Icon, welches Französisch mit Accepter beschriftet war.
„Salut ...“, hörte man Leas süsse Stimme aus den Boxen.
„Ça va, ma chère?“, sagte Danielle.
„Ça va bien, merci. On a des nouvelles ...“
Danach wechselten sie ins Englisch, weil alle Gespräche aufgezeichnet wurden und auch von Nicht-Franzosen in der ATO verstanden werden mussten.
„Was habt ihr für Neuigkeiten?“
„Sag ich dir später, wenn Yeva und Guillaume auch hier sind.“
In diesem Moment loggte sich auch das B-Team ein.
„Hallo?“, sang Guillaume ins Mikrofon als handle es sich um eine Stimmbildungs-Übung.
„Glücklich vereint!“, sagte Luc. „Ich schlage vor, wir beginnen mit unseren neuen Resultaten, und dann haben Kahil und Lea auch was, hab ich gehört?“
„Genau!“, bestätigte Lea.
„Also, der Kerl ist weiterhin mächtig daran sich immer wieder auf‘s neue zu entschliessen. Er ist glitschig wie ein Fisch. Wir geben euch jetzt mal die Details der Situation und dann wissen wir das nächste Mal, wie eure Intention das Ganze wieder verändert.“
„Ich versteh immer noch nicht, wieso unsere Intentionen die Situation verändern ...“, sagte Lea.
„Wieso?“, fragte Luc.
„Weil das doch bedeutet, dass unsere Intentionen seine Gedanken beeinflussen. Das verstehe ich nicht ...“
„Wir hängen alle zusammen. Denk an den Ausspruch, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien in Texas einen Tornado verursachen kann. Kleine Ursache, grosse Wirkung ...“, sagte Danielle.
„Stimmt denn das überhaupt?“
„Der Schmetterlingseffekt ist mathematisch und klimatechnisch eine Herausforderung; Forschungen zeigen aber, dass es tatsächlich sein könnte. Vor allem in deterministisch chaotischen Systemen kann ein Faktor in den Anfangsbedingungen einer Situation sich als ein in der Zeit fortpflanzender Impuls verstärken und zu dramatischen Effekten in der Zukunft führen. Das Beispiel geht übrigens auf den Meteorologen Edward Lorenz zurück, nur dass es bei ihm ursprünglich eine Möwe und kein Schmetterling war ...“, sagte Luc.
Lea nickte. So genau hatte sie es wohl nicht wissen wollen, konnte man ihrem Blick auf dem Bildschirm entnehmen.
„Okay, dann gib uns mal die Details und dann schauen wir, wie sich der Cocktail
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