Der letzte Aufstand
wollte mir nichts sagen, obwohl ich ihr etwas zu essen und trinken gegeben habe!“
„Aber sie wusste doch gar nichts!“, sagte Henk.
„Ich hatte Zweifel an ihrer Ehrlichkeit. Ich hab sie einen Eipanzerbären zeichnen lassen. Die Zeichnung sagte deutlich, dass sie log, mein Meister!“
Henk betrachtete Tam mitleidsvoll. „Die Theken haben in ihrer Welt keine Eipanzerbären, Leibgardist!“
„ ... sie haben keine?“
Henk schüttelte den Kopf. „Wie soll sie etwas zeichnen, das sie noch nie gesehen hat? Kein Wunder siehst du eine Lüge in ihrer Kunst!“
Tam verneigte sich wieder. „Ich habe gefehlt. Verzeih mit, Meister.“
Henk machte einen Schritt nach vorne. Er strich dem Mann mit entspannter Hand über den Kopf.
„Mache deine Fehler. Aber lerne deine Lektionen!“
Tam begann zu singen.
Das Lied des Lernens
Ich erkenne durch Handlung
Ich leide durch Beengung
Ich siege durch Öffnung
Henk nickte ihm zu, als der wacklige Gesang vorüber war.
Pete glaubte in einem Kafka-Roman gelandet zu sein. Waren diese Leute von Sinnen? Aus einer Psychiatrie entflohen? Sein Blick wanderte von den beiden Männern zum Fenster mit den gezogenen Vorhängen, die die Aussenwelt aussperrten.
„Wo ist Liv?“, fragte er noch einmal. Diesmal war er den Tränen nahe. Keine Antwort. Dann wiederholte Henk die Frage.
„Wo ist seine Frau, Leibgardist?“
„Ich habe sie nach Taaah gebracht.“
Henk nickte dem Lehrling anerkennend zu. Dann wandte er sich Terry zu. „Wir springen! Mach das Tuch bereit. Den Mann nehmen wir mit. Wir brauchen Antworten.“
Der Satz hallte in Petes Kopf wider. Sie hatten sie nach Taaah gebracht. Das hiess Liv lebte. Wo auch immer Taaah lag. Obwohl Pete, weiss Gott, schon viel in der Welt rum gekommen war, hatte er noch nie von einem Ort namens Taaah gehört.
„Wo ist Taaah? Ihr müsst mich dorthin bringen, sonst wird kein Wort meine Lippen verlassen!“
„Du kommst mit. Mach dir keine Sorgen. Wir springen sofort.“, sagte Henk.
Terry breitete in der Küche ein blaues Tuch auf dem Boden aus. Er legte es glatt auf den Boden und zupfte an den Ecken bis alle sichtbaren Falten verschwunden waren.
„Das Sprungtuch ist bereit, mein Meister!“, sagte Terry. Er stand stramm neben dem blauen Tuch, wie ein Soldat bei einem Appell. Pete wurde in die Küche gestossen. Man positionierte ihn an eine der vier Seiten des Tuchs. Danach standen Tam und Henk entlang der noch freien Seiten hin. Vier Männer und ein Tuch in ihrer Mitte.
„Tam, du gehst voraus. Bereite unserem Gefangenen eine sichere Ankunft. Ich springe als Letzter.“, sagte Henk. Nüchtern. Sachlich.
Tam streckte seine rechte Hand aus. Die beiden anderen Männer schlugen mit der flachen Hand darauf.
„Möge das Licht euch begleiten!“, sagte er, ging in die Knie, holte aus. Dann stiess er sich wuchtig vom Boden ab und sprang auf das blaue Tuch.
Pete beobachtete das alles, als hätten die Männer einen fehlgeleiteten Sinn für Humor. Als inszenierten sie eigens für ihn eine abstrakte Komödie. Doch sein Unglaube wich einem Schock. Pete begann zu schreien. Seine Beine machten sich selbstständig; er versuchte instinktiv aus der Küche zu fliehen. Seine Arme ruderten, probierten ihn an den anderen zwei vorbei zu manövrieren.
Doch Henk war auf alles gefasst gewesen. Er hielt den hysterisch schreienden Journalisten zurück, indem er sich ihm in den Weg stellte.
„Scheisse, wo ist er hin, wo ist er hin, wo ist er hin ...?“
Pete klammerte sich an Henks Arme, als böten sie Sicherheit, wo alles andere plötzlich unzuverlässig war.
„Er ist gesprungen. Er ist zu Liv gegangen!“, antwortete Henk.
„Aber er ist weg! Wie geht ... was soll das?“
Petes Beine waren immer noch auf Flucht eingestellt. Es war das einzige, das Sinn machte, wenn die Welt plötzlich nicht mehr zuverlässig war. Nichts verschwand einfach so in einem blauen Tuch. Vor allem nicht ein ganzer Mann.
„Du musst als Nächster springen!“
Pete wurde von einer Panik ergriffen. Er schaufelte Henk mit mächtigen Bewegungen zur Seite. „Lasst mich raus!“
Er rannte los, die Tür mit Tunnelblick im Visier. Sein Kopf war leer bis auf ein Wort, das sich immer wieder wiederholte: raus! Doch Terry stellte ihm ein Bein, so dass er der Länge nach hin fiel. Bevor er wieder aufstehen konnte, wurde er von vier kräftigen Händen hoch gezerrt. Dann stiessen sie ihn auf das Tuch zu, welches immer noch faltenlos auf dem Boden lag.
Die Angst vor
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