Der letzte Beweis
Witzbold ist, lacht am lautesten. »Okay«, sagt er, als das Lachen abklingt.
»Also, Richter Sabich, befanden sich auf Ihrem privaten PC E-Mails, von denen Sie nicht wollten, dass jemand anderes sie zu sehen bekam? Das heißt, ehe sie gelöscht wurden?«
»Wie gesagt, allerhand vertrauliche Gerichtsunterlagen.«
»Ich meinte, eher privater Natur.«
»Ein paar«, sagt mein Dad.
»Welcher Art?«
Das Erste, was mir in den Sinn kommt, sind seine Nachrichten an die Frau, mit der er was gehabt hatte. Auch die waren wahrscheinlich da, aber es gibt einen deutlicheren Beweis aus anderer Quelle.
»Zum Beispiel die Mails von Mr Mann, mit denen er meine Termine bei ihm bestätigte.«
»Befanden sich Mr Manns E-Mails Ihres Wissens noch auf Ihrem privaten PC, als dieser beschlagnahmt wurde?«
»Ich weiß, dass sie laut Aussage Ihres Sachverständigen nicht mehr drauf waren.«
»Dr. Gorvetich konnte die Mails sogar zeitlich eingrenzen und war somit in der Lage, festzustellen, dass sie mit Evidence Eraser entfernt worden waren.«
»Das hat er behauptet?«
»Sie bezweifeln das?«
»Ich denke, unser Sachverständiger wird seine Schlussfolgerung hinsichtlich der Verwendung einer Schredder-Software infrage stellen. Aber offensichtlich waren die Mails nicht mehr da.«
»Und Sie bestreiten, sie gelöscht zu haben?«
»Ich entsinne mich nicht, Mr Manns Mails gelöscht zu haben, aber ich hätte natürlich Grund gehabt, es zu tun. Ich weiß, dass ich nie irgendeine Schredder-Software heruntergeladen oder auf meinem Computer angewendet habe.«
»Wäre also Evidence Eraser nicht angewendet worden, hätte ein Ermittler bei der Durchsicht Ihrer E-Mails zu dem Schluss kommen können, dass Sie daran dachten, Ihre Frau zu verlassen?«
Jetzt verstehe ich, worauf Tommy hinauswill. Er wird argumentieren, dass mein Dad sozusagen mit Netz und doppeltem Boden arbeiten wollte und seinen Computer für den Fall keimfrei gemacht hat, dass die Behörden die Phenelzinvergiftung entdeckten. Doch um so was zu machen, hätte mein Dad schon sehr tief in Schwierigkeiten stecken müssen.
»Möglicherweise.«
»Möglicherweise«, sagt Molto. Er kommt auf einen anderen Punkt zu sprechen.
»Richter Sabich, wenn ich die Aussage, die Sie gegenüber der Polizei machten, richtig verstehe, sind Sie am 29. September morgens aufgewacht und fanden Ihre Frau tot neben sich. Korrekt?«
»Ja.«
»Und den ganzen Tag lang, genauer gesagt fast vierundzwanzig Stunden lang, verständigten Sie niemanden. Korrekt?«
»Ja.«
»Sie riefen nicht den Notarzt, der sie möglicherweise hätte wiederbeleben können?«
»Mr Molto, ihre Haut war kalt. Sie hatte keinen Puls.«
»Sie trafen selbst ein ärztliches Urteil und riefen nicht den Notarzt. Richtig?«
»Ja.«
»Sie verständigten weder Ihren Sohn noch irgendwelche Verwandte oder Freunde Ihrer Frau von deren Ableben, korrekt?«
»Nicht sofort.«
»Und nach dem, was Sie der Polizei erzählt haben, saßen Sie einfach einen ganzen Tag lang da und dachten über Ihre Frau und Ihre Ehe nach. Richtig?«
»Ich habe ein bisschen aufgeräumt, weil sie würdevoll aussehen sollte, wenn mein Sohn sie sah, aber ansonsten hab ich wirklich die meiste Zeit dagesessen und nachgedacht.«
»Und schließlich, praktisch einen Tag später, riefen Sie Ihren Sohn an?«
»Ja.«
»Und laut Nathaniels Aussage« - es erschüttert mich ein wenig, meinen Namen aus Moltos Mund zu hören - »haben Sie sich in dem Telefonat mit ihm gestritten, ob Sie die Polizei anrufen sollten.«
»Er hat es nicht als Streit bezeichnet, und ich würde das auch nicht tun. Es war mir nicht in den Sinn gekommen, dass die Polizei verständigt werden müsste, und ehrlich gesagt, zu dem Zeitpunkt war ich nicht besonders erpicht darauf, Fremde zu sehen.«
»Wie viele Jahre waren Sie Staatsanwalt?«
»Fünfzehn.«
»Und da war Ihnen angeblich nicht klar, dass die Polizei bei einem ungeklärten Todesfall verständigt werden muss?«
»Für mich war es kein ungeklärter Todesfall, Mr Molto. Sie hatte hohen Blutdruck und Herzprobleme. Ihr Vater war ebenso gestorben.«
»Aber Sie wollten die Polizei nicht anrufen?«
»Ich war durcheinander, Mr Molto, und wusste nicht recht, was ich tun sollte. Mir war in letzter Zeit keine Ehefrau weggestorben.« Auf der Geschworenenbank wird gekichert, was ein wenig verwunderlich ist. Sterns Augenbrauen ziehen sich zusammen. Er will nicht, dass mein Dad derart salopp klingt.
»Also, Sie sagen, Ihre Frau hatte gesundheitliche
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