Der letzte Beweis
ließen?«
»Ja.«
»Könnte man also korrekterweise den Schluss ziehen, dass Sie ihn erneut aufsuchten, weil Sie bereit waren, seinem Rat zu folgen und Ihre Ehe zu beenden?«
Geschickt wie ein Eisläufer kurvt Molto die ganze Zeit um die Frage herum, was genau mein Dad von Dana wissen wollte.
»Mr Molto, ich denke, dass ich für kurze Zeit entschlossener war, meine Ehe zu beenden. Danach sah ich die Dinge wieder etwas gelassener und überlegte es mir anders.«
»Hatte das nicht eher mit der Tatsache zu tun, dass Sie gerade mitten im Wahlkampf um einen Sitz im Obersten Bundesstaatsgericht steckten?«
»Vor dem 4. November 2008 hätte ich ganz sicher nicht die Scheidung eingereicht.«
»Hätte einen schlechten Eindruck gemacht, nicht wahr?«
»Mir ging es eher darum, dass ich zu dem Zeitpunkt mit einer Scheidung in die Schlagzeilen gekommen wäre, während das nach der Wahl niemanden mehr interessiert hätte außer meiner Familie.«
»Aber, Richter Sabich, Sie räumen doch wohl ein, dass manche Wähler nicht gerade begeistert gewesen wären, wenn sie erfahren hätten, dass Sie Ihre Ehe beenden wollten?«
»Das dürfte den Tatsachen entsprechen.«
»Wohingegen sie gewiss voller Mitgefühl wären, falls Sie urplötzlich Witwer würden?«
Mein Dad antwortet nicht. Er zuckt nur die Achseln und hebt eine Hand.
»Haben Sie Ihrer Frau gesagt, dass Sie an Scheidung dachten?«
»Nein.«
»Weil -?«
»Weil ich unentschlossen war. Weil meine Haltung sich nach dem Gespräch mit Mr Mann wieder geändert hatte. Und weil meine Frau ausgesprochen labil war. Sie konnte sehr, sehr wütend werden. Es hätte keinen Sinn gehabt, mit ihr darüber zu reden, ehe ich eine endgültige Entscheidung getroffen hatte.«
»Dann sahen Sie also diesem Gespräch mit ihr nicht gerade freudig entgegen, Richter Sabich?«
»Ganz und gar nicht. Es wäre extrem unangenehm geworden.«
»Könnte man dann vielleicht sagen, Richter Sabich, dass Ihnen durch den Tod Ihrer Frau gerade zu dem Zeitpunkt eine Konfrontation sowohl mit ihr als auch mit Ihren Wählern erspart blieb?«
Mein Dad verzieht wieder das Gesicht, halb schmerzlich, halb bekümmert, als wäre das alles einfach zu dumm, und versucht, den Eindruck zu erwecken, als wäre er nicht gerade in eine Falle getappt.
»Das könnte man sagen, wenn man unbedingt will, Mr Molto.«
»Alles in allem kam Ihnen der Zeitpunkt von Mrs Sabichs Tod ausgesprochen gelegen, nicht wahr?«
»Einspruch«, sagt Stern energisch.
»Das reicht«, sagt Richter Yee leise. »Anderes Thema bitte.«
»Also gut«, sagt Tommy wieder, bewusster als beim letzten Mal, und konsultiert erneut seine Notizen. Er wirft sich ein wenig in die Brust. Molto weiß, dass seine Trefferquote nach wie vor bestens ist. »Kommen wir etwas ausführlicher auf Ihren Computer zu sprechen.«
An dem Tag, als mein Vater erfuhr, dass gegen ihn Anklage erhoben werden würde - der 4. November 2008, ein Datum, das ich wohl nie vergessen werde, der Tag, an dem seine berufliche Karriere eigentlich ihren absoluten Höhepunkt erreichen sollte -, durchsuchte die Polizei von Kindle County unser Haus in Nearing. Die Beamten nahmen nicht nur beide Computer mit, sondern beschlagnahmten auch, offensichtlich weil sie nach Spuren von Phenelzin suchten, die gesamte Kleidung meines Vaters, sämtliche Gegenstände aus der Küche, jeden Teller, jedes Glas, jede offene Flasche, jeden Behälter im Kühlschrank oder in den Schränken sowie alles Werkzeug meines Vaters. Und selbst damit waren sie noch nicht zufrieden. Während der ersten Durchsuchung hatten sie im Keller einige Stellen bemerkt, die mein Vater wenige Monate zuvor mit Beton ausgebessert hatte - meine Eltern hatten immer Probleme mit Feuchtigkeit im Haus -, und die Polizisten kamen zurück, um die Wände mit Presslufthämmern aufzubrechen. Irgendwann kehrten sie mit einem weiteren Durchsuchungsbeschluss wieder und wühlten den Boden im Garten auf, weil einer der Nachbarn ausgesagt hatte, er habe meinen Vater etwa um die Zeit, als meine Mutter starb, dort graben sehen. Er hatte recht. An dem Tag, als Anna und ich zum Abendessen kamen, hatte er einen Rhododendron für sie gepflanzt. Die Staatsanwaltschaft begnügte sich nicht bloß damit, das Haus auf den Kopf zu stellen, nein, sie weigerte sich auch, irgendetwas von dem, was sie beschlagnahmt hatte, wieder herauszugeben, weshalb mein Dad monatelang praktisch keine Garderobe hatte, keinen PC und nicht mal einen Topf, um Wasser zu
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