Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
Vom Netzwerk:
Probleme. Aber sie war topfit, nicht wahr?«
    »Das stimmt. Aber sie trieb Sport, weil sie wusste, dass sie genetisch vorbelastet war. Ihr Vater wurde kaum fünfzig.«
    »Dann fällten Sie also ohne jede qualifizierte Unterstützung nicht nur das ärztliche Urteil, dass Ihre Frau tot war, sondern Sie bestimmten noch dazu die Todesursache.«
    »Ich sage nur, was ich dachte. Ich erkläre, warum ich nicht in Erwägung zog, die Polizei anzurufen.«
    »Es ging Ihnen selbstverständlich nicht darum, eine Obduktion hinauszuzögern.«
    »Nein.«
    »Es ging Ihnen nicht darum abzuwarten, bis die Magensäfte alle Spuren der Lebensmittel beseitigt hatten, die Sie Ihrer Frau zu essen gaben, damit sie mit dem Phenelzin interagierten, das Sie ihr im Wein verabreicht hatten?«
    »Nein.«
    »Und Sie sagen, dass Sie ein bisschen aufgeräumt haben, Richter Sabich. Gehörte zu diesem Aufräumen vielleicht auch, das Glas zu spülen, in dem sie am Vorabend das Phenelzin aufgelöst hatten?«
    »Nein.«
    »Aber wir haben nur Ihr Wort, dass Sie das Glas nicht gespült haben, in dem sich Spuren des Gifts befanden, das Sie Ihrer Frau einflößten, nicht wahr?«
    »Wollen Sie darauf hinaus, dass es niemanden sonst gibt, der das bestätigen kann, Mr Molto?«
    »Wir haben nur Ihr Wort, Richter Sabich, dass Sie nicht die Arbeitsplatte abgewischt haben, auf der Sie das Phenelzin zerstießen, oder die Geräte, die Sie dafür benutzten, nicht wahr?«
    Mein Dad antwortet nicht mehr.
    »Wir haben nur Ihr Wort, Richter Sabich, dass Sie diese vierundzwanzig Stunden nicht dazu genutzt haben, möglichst alles zu beseitigen, das beweisen könnte, wie Sie Ihre Frau vergiftet haben. Nur Ihr Wort, Richter Sabich, nicht wahr? Nur Ihr Wort.«
    Tommy ist immer näher an meinen Dad herangetreten und steht jetzt ganz dicht vor dem Zeugenstand, versucht, meinen Dad mit Blicken einzuschüchtern.
    »Ich habe verstanden, Mr. Molto. Nur mein Wort.«
    »Ja«, sagt Tommy Molto, »nur Ihr Wort. Ihr Wort ganz allein.« Er fixiert meinen Vater noch einen Moment länger, ehe er zum Tisch der Staatsanwaltschaft zurückgeht, wo er seine Notizen zusammenschiebt und Platz nimmt.
     

Kapitel 27
    Tommy, 22. Juni 2009
     
    Im gelblichen Licht auf den Fluren der Staatsanwaltschaft, wo es anscheinend nur zwei Tageszeiten gab, Dämmerung und Nacht, warteten etliche von Tommys Mitarbeitern, die - als sich die Messingtüren des Fahrstuhls öffneten - die Ersten sein wollten, die ihrem Boss die Hand schüttelten. Jim Brand war zuerst herausgetreten und schob den Wagen mit den Prozessunterlagen vor sich her. Mit dem Edelstahlgestell auf Rollen, das aussah wie ein überlanger Einkaufswagen, wurden an jedem Verhandlungstag die Prozessakten und Rustys Privatcomputer über die Straße zum Gericht befördert. Einen Schritt hinter ihnen folgten die beiden anderen Mitglieder von Tommys Prozessteam, die Ermittlerin Rory Gissling und die Assistentin Ruta Wisz. Sobald sie alle die stahlverstärkte Tür zu den Büroräumen passiert hatten, durchlief Applaus das Spalier von Mitarbeitern, von denen viele auf den Zuschauerbänken im Saal gesessen hatten, um das Kreuzverhör zu verfolgen. Tommy, der hinter Brand den Gang hinunter zum Eckbüro des Oberstaatsanwalts ging, nahm Gratulationen und Schulterklopfen entgegen. Es war ein bisschen so wie die Szenen in alten Filmen über Rom, wenn die siegreichen Feldherren in eine befestigte Stadt einzogen, vor ihnen einen Streitwagen mit den sterblichen Überresten des früheren Herrschers.
    Die Staatsanwälte grölten Bemerkungen, in denen sie sich über Rusty lustig machten.
    »Eine Runde durch den Fleischwolf ist nichts dagegen, Boss.«
    »Willkommen in unserem Feinschmeckertempel. Chefkoch Tommy macht für Sie aus großen Tieren kleine Häppchen.«
    Selbst Richter Yee hatte kurz Tommys Blick aufgefangen, als er die Verhandlung vertagte, und ihm anerkennend zugenickt. Tommy war ehrlich gesagt ein bisschen ratlos ob des vielen Beifalls. Er wusste seit Langem, dass er zu den Menschen gehörte, die Erfolg nicht richtig genießen konnten. Auch das zählte zu seinen kleinen peinlichen Geheimnissen, obwohl es ihm in den letzten Jahren nicht mehr ganz so viel ausmachte, weil er erkannt hatte, dass es weit mehr Menschen, als man meinen sollte, ähnlich erging. Aber wenn es für Tommy Molto richtig gut lief, hatte er oft ein schlechtes Gewissen und war im tiefsten Innern überzeugt, den Erfolg eigentlich nicht verdient zu haben. Selbst Domingas Liebe fühlte er sich

Weitere Kostenlose Bücher