Der letzte Beweis
suizidgefährdet war. In der Zeit zwischen 1988 und 2008, also zwanzig Jahre lang, unternahm Ihre Frau keinen Selbstmordversuch, richtig?«
»Soweit ich weiß, ja.«
»Und hatte sich Ihres Wissens Ende September 2008 für Mrs Sabich irgendetwas verändert?«
Mein Dad sieht Tommy Molto hart an. Ich weiß nicht genau, was da gerade passiert, aber es ist offensichtlich ein Moment, auf den mein Vater gewartet hat.
»Ja, Mr Molto«, sagt mein Vater, »es hatte sich etwas Gravierendes verändert.«
Tommy sieht aus, als hätte man ihn geohrfeigt. Er hat eine Frage gestellt, die er für ungefährlich hielt, und ist stattdessen in eine Falle getappt. Molto wirft einen Blick in Richtung Brand, der unter dem Tisch der Staatsanwaltschaft die flache Hand ausstreckt und ein paar Zentimeter absenkt. Hinsetzen, signalisiert er Tommy. Mach es nicht noch schlimmer.
Und Tommy tut wie geheißen. Er sagt: »Keine weiteren Fragen«, und Richter Yee fordert meinen Vater auf, den Zeugenstand zu verlassen. Mein Dad knöpft sein Jackett zu und geht langsam die drei Stufen hinunter. Er sieht aus wie ein stolzer Soldat, Schultern gerade, Kopf hoch, Augen geradeaus. So unmöglich es auch gestern Abend noch schien, auf einmal sieht es so aus, als hätte mein Dad gewonnen.
Kapitel 32
Nat, 23. Juni 2009
Richter Yee bittet Sandy, den nächsten Zeugen zu rufen, worauf Marta hochspringt und Rosa Belanquez aufruft, die sich als Kundenbetreuerin in der Bank meiner Eltern entpuppt.
Mrs Belanquez ist eine hübsche, leicht rundliche Frau in den Dreißigern, und sie hat sich adrett zurechtgemacht für ihren Moment im Rampenlicht. Sie trägt ein kleines Kreuz um den Hals und einen winzigen Brillanten am Ringfinger. Sie verkörpert das gute Amerika, die Frau, die wahrscheinlich in dieses Land kam, wenn es nicht schon ihre Eltern waren, um hart zu arbeiten, und die ihre gesteckten Ziele erreicht hat, eine feste Stelle bei der Bank, ein wenig Erfolg, ein bisschen Geld, genug, um ihre Kinder zu ernähren, die sie so erzieht, wie sie erzogen wurde, hart arbeiten, das Richtige tun, Gott und seinen Nächsten lieben. Sie ist eine richtig nette Lady. Das ist schon daran zu erkennen, wie sie im Zeugenstand Platz nimmt und Marta anlächelt.
»Wenn Sie an den 23. September 2008 zurückdenken, hatten Sie da Gelegenheit, mit einer Frau zu sprechen, die sich Ihnen als Barbara Sabich vorstellte?«
Ich rechne zurück. Der 23. September 2008 war der Dienstag vor dem Tod meiner Mutter.
»Ja, das hatte ich.«
»Und was hat Mrs Sabich gesagt, und was haben Sie gesagt?«
Jim Brand, groß und massig, der im Hochsommer einen schweren karierten Anzug trägt, steht auf und erhebt Einspruch. »Hörensagen.«
»Euer Ehren«, sagt Marta, »wir werden keine Wahrheitsbehauptung aufstellen. Es geht nur um Tatsachen.«
Richter Yee nickt. Wie Marta versichert hat, will die Verteidigung nicht versuchen, den Beweis anzutreten, dass das, was meine Mutter gesagt hat, wirklich wahr ist. Es soll nur festgestellt werden, dass sie es gesagt hat.
»Antwort für Antwort«, sagt er. Das heißt, er wird den Einspruch wegen Hörensagen bei jeder Antwort neu bewerten, ein Vorteil für die Verteidigung, die das Ganze den Geschworenen nun auftischen kann, selbst wenn der Richter letztlich entscheidet, dass es nicht hätte gehört werden sollen.
»Zunächst mal«, sagt Marta, »hatte Mrs Sabich irgendetwas bei sich?«
»Mrs Sabich hatte eine Empfangsbestätigung von einer Anwaltskanzlei dabei.«
»Wenn Sie sich Beweisstück 24 anschauen, erkennen Sie dieses Dokument?« Die Empfangsbestätigung von Dana Manns Kanzlei, die am Schluss der Aussage meines Vaters auf der Leinwand zu sehen war, erscheint erneut.
»Das ist die Empfangsbestätigung, die Mrs Sabich dabeihatte.«
»Und hat Mrs Sabich Ihnen gesagt, woher sie die hatte?«
»Einspruch, Hörensagen«, ruft Brand.
Marta sieht ihn an und macht eine leichte Grimasse, aber sie zieht die Frage zurück.
»Nun«, sagt sie. »Erinnern Sie sich, wie Ihnen Mrs Sabich die Empfangsbestätigung zeigte?«
»Sie hatte sie in einem Umschlag.«
»Was für ein Umschlag?«
»Ein ganz normaler Standardumschlag mit Fenster.«
»Wissen Sie noch, ob eine Briefmarke drauf war?«
»Frankiermaschinenstempel, glaube ich.«
»Haben Sie einen Absender auf dem Umschlag gesehen?«
»Es war so«, sagt Mrs Belanquez. »Sie gab mir den Umschlag, und ich nahm die Empfangsbestätigung heraus. Sie war mit der Post verschickt worden. Das war
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