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Der letzte Beweis

Der letzte Beweis

Titel: Der letzte Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Turow
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machen.«
    Brand starrte sie an, starrte Rory einfach nur an, den Mund leicht geöffnet, als wollte er sagen: Ach du Scheiße.
    »Verdammt«, sagte er schließlich und warf seine leere Limodose gegen die Wand. Es war nicht das erste Mal, dass das jemand tat. Im Putz hatte sich mit den Jahren eine dreieckige Delle gebildet, wenn Tommy und seine Staatsanwälte vor Wut mit der Faust dagegengeschlagen oder irgendwelche Gegenstände geschleudert hatten. Aber Brand konnte besser zielen. Die Dose knallte genau in die Mitte der Stelle und fiel dann in den Papierkorb, der darunterstand, um alles aufzufangen, was dort landete.
    Alle vier sahen schweigend zu. Vielleicht, dachte Tommy, sollte er am nächsten Morgen mal nachsehen, ob in dem Papierkorb noch irgendwas anderes lag. Vielleicht ihre gesamte Mordtheorie.
     

Kapitel 34
    Nat, 24. Juni 2009
     
    Es ist halb acht, und die Straßen der Innenstadt füllen sich allmählich mit eiligen Fußgängern und Autofahrern, die ihren Tag in Angriff nehmen wollen. Anna bringt den leisen Prius vor dem LeSueur Building zum Stehen, um mich abzusetzen.
    »Ich hoffe, es läuft gut.« Sie streckt den Arm aus und nimmt meine Hand. »Schick eine SMS, sobald du fertig bist.« Ich beuge mich zu ihr, um mich rasch umarmen zu lassen, und steige dann aus. Ich habe mich immer noch nicht ganz von meinem Studentenlook verabschiedet und zerknittere meinen schönen Anzug unter den Riemen des Rucksacks, den ich mir umhänge, ehe ich hineingehe.
    Die Nacht war schlimm. Anna war entsetzt, als ich ihr von der Aussage der Bankangestellten erzählte, und wirkte genauso erschüttert, wie ich es war. Immer wieder sagte sie, wie leid es ihr tue, was mir schließlich richtiggehend auf die Nerven ging, weil ich das Gefühl hatte, sie wollte von mir getröstet werden. Vielleicht kreisten ihre Gedanken auch ständig um ein und dasselbe, meine Mom, wie sie an jenem Abend für uns vier den Tisch auf der Veranda deckte und wusste, dass ihr Leben so gut wie vorbei war.
    Bei so viel Drama war ich gestern nicht mehr in der Verfassung gewesen, meine bevorstehende Zeugenaussage mit Marta durchzusprechen, und deshalb ist sie heute Morgen früher in die Kanzlei gekommen. Mit drei Kindern zu Hause war das bestimmt nicht leicht für sie und ihren Mann Solomon, aber sie winkt ab, als ich ihr danken will, und führt mich durch die Kanzleiräume zur Kaffeemaschine.
    Ich habe Marta während der letzten Wochen im Gerichtssaal beobachtet und erkannt, dass sie nie ganz so erfolgreich sein wird wie ihr Vater. Sie hat den gleichen scharfen Verstand wie ihr Dad, aber sie hat nicht die gleiche faszinierende Ausstrahlung. Sie ist warmherzig und zugänglich, wohingegen ihr Vater dadurch beeindruckt, dass er förmlich und distanziert wirkt, aber das scheint sie nicht weiter zu stören. Sie gehört zu den Menschen, die mit sich und ihrem Leben zufrieden sind. Ich sage ihr ständig, dass sie mein großes Vorbild ist.
    »War es nicht seltsam, als Sie beschlossen haben, mit in die Kanzlei Ihres Vaters einzusteigen?«, frage ich sie, während wir zusehen, wie sich die Kanne füllt. Die Frage beschäftigt mich schon seit Wochen, aber in der ganzen Hektik um den Prozess hat es sich nie ergeben, sie zu stellen.
    Sie lacht und gesteht, dass das eigentlich keine richtige Entscheidung war. Sie hatten vor Jahren eine familiäre Krise nach dem Tod ihrer Mutter - sie geht nicht weiter darauf ein, aber ich bin ziemlich sicher, dass Clara, Martas Mom und Sandys erste Frau, Selbstmord beging, heute Morgen ein eigenartiger Gedanke. Sandy war, wie sie es ausdrückt, »völlig neben der Spur«, und Marta übernahm die Rolle der rechten Hand ihres Vaters, ohne groß darüber nachzudenken.
    »Aber wie sich herausgestellt hat, hätte uns nichts Besseres passieren können«, sagt sie. »Ich arbeite unheimlich gern mit meinem Dad zusammen, und vielleicht wäre es nie dazu gekommen, wenn meine Mom nicht gestorben wäre. Er ist der beste Anwalt, der mir je begegnet ist, und in der Kanzlei herrscht zwischen uns eine Harmonie, die wir nirgendwo sonst finden. Ich glaube, wir sind hier noch nie laut geworden. Aber wenn ich ihn mal zu uns zum Abendessen einlade, weil Helen unterwegs ist, schreie ich ihn schon an, sobald er auch nur einen Fuß durch die Tür setzt. Er bricht sämtliche Regeln, die ich für die Jungs aufgestellt habe. Ich liebe meinen Vater«, fügt Marta noch als plötzlichen Nachsatz hinzu und läuft so schnell rot an, dass ich zuerst gar nicht begreife,

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