Der letzte Beweis
passen.«
»Aber sie könnten von Barbara stammen?«, fragte Brand.
»Der hier nicht«, sagte Mo und deutete auf den Abdruck unten am Fläschchen, der auf dem Foto am größten war, »weil der eindeutig von einem Daumen ist. Aber bis dahin konnte ich nicht sagen, ob einer der übrigen Abdrücke von Barbaras Mittelfinger oder vielleicht sogar dem kleinen Finger stammte.«
»Und jetzt?«, fragte Tommy. Brand trat hinter Dickerman und schlug die Augen gen Himmel. Ihm ging Mos Egotrip auf die Nerven.
»Also hab ich in einem nächsten Schritt versucht festzustellen, von wem die Abdrücke waren. Ich ging davon aus, dass ihr irgendwen im Sinn hattet, aber Jim und Rory wollten keine Namen nennen. Also haben wir die Abdrücke durchs AFIS laufen lassen«, sagte Mo. Er meinte ein Computersystem, in dem alle Fingerabdrücke, die während der letzten Jahrzehnte im Bezirk genommen wurden, gespeichert waren. Mo legte die Fingerabdruckkarten hin, die aus seinem eigenen Archiv herausgesucht worden waren. Auf einer waren die Abdrücke, die Rusty Sabich vor fünfunddreißig Jahren bei seinem Dienstantritt für den Bezirk abgenommen worden waren. Die anderen hatte man ihm abgenommen, als Sabich angeklagt wurde. »Alle vier Abdrücke auf dem Fläschchen stammen von ihm.« Mo berührte die Karten, als wäre jede einzelne ein Fetisch. »Ich hab Rusty immer gemocht«, fügte er hinzu, als wäre es ein Nachruf.
Jims Lächeln war dezent, beherrscht. Er hatte es immer gewusst. Das würde Tommy ihm jedes Mal zugestehen müssen, wenn sie in den kommenden Jahren über den Fall sprachen.
»Und woher wissen wir, dass Sabich das Fläschchen nicht einfach aus der Packung genommen hat, um seiner Frau zu helfen?«, fragte Tommy.
Die Frage beantwortete Brand. Er hatte die Unterlagen dabei, die Rory zwei Tage zuvor mit in Wallachs Gerichtssaal gebracht hatte.
»Die Quittung war für zehn Tabletten ausgestellt. Aber als die Cops die Flasche mitnahmen, waren nur noch sechs drin.« Er nahm den Plastikbeutel mit dem Fläschchen, der neben Mos kostbarer Apparatur lag, und zeigte Tom die sechs orangefarbenen Tabletten darin. »Also hat jemand vier rausgenommen«, sagte er, »und gerade haben wir gehört, dass nur die Abdrücke des Richters drauf sind.«
»Könnte sie das Fläschchen angefasst haben, ohne Abdrücke zu hinterlassen?«, fragte Molto.
Dickerman schmunzelte. »Sie kennen die Antwort, Tom. Klar. Aber die Vakuum-Metallisierung ist die präziseste Methode zum Auffinden von Fingerabdrücken, die es je gab. Und wenn ich Jim richtig verstehe, müsste sie das Fläschchen viermal angefasst haben, ohne Abdrücke zu hinterlassen. Wir sind dabei, auch andere Behältnisse aus dem Arzneischrank zu untersuchen. Bislang sind ihre Fingerabdrücke auf acht von den neun, die wir getestet haben. Auf dem neunten sind die Abdrücke verwischt.«
»Könnten sie von ihr sein?«
»Möglich. Es gibt einige Vergleichspunkte, aber anscheinend hat noch jemand anderes das Fläschchen berührt, was die DNS-Bestimmung schwierig macht, die Unterscheidung der Allele.«
»Ein Verteidiger könnte schwerlich behaupten«, sagte Brand, »dass sie das Phenelzin angerührt hat, wenn ihre Fingerabdrücke auf jedem anderen Fläschchen sind, nur nicht auf diesem.«
Dickerman begleitete Brand und Molto zurück zu demselben Hintereingang, durch den sie hereingekommen waren. Tommy hatte noch immer keine Lust, den Dutzenden von Polizisten zu begegnen, die in den oberen Etagen herumliefen und mit Sicherheit fragen würden, was denn der Oberstaatsanwalt hier unten zu suchen hatte. An der Tür bedankte Brand sich erneut bei Dickerman und besprach noch rasch die nächste Runde von Untersuchungen, während Tommy schon hinaus in den beißenden Wind trat und über das soeben Gehörte nachdachte. Der stahlgraue Himmel, der in den kommenden sechs Monaten in Kindle County vorherrschen würde, als hätte sich ein gusseiserner Deckel über die Tri-Cities gelegt, sank tiefer.
Er hatte es wieder getan. Dieser Satz, dieser Gedanke zog sich durch Tommy wie eine gedämpft angeschlagene Klaviernote. Rusty hatte es wieder getan. Der Mistkerl hatte es wieder getan. Von wegen »Gebranntes Kind«. Während Tommy dastand, stürmten so viele Gefühle auf ihn ein, dass er sie kaum ordnen konnte. Er war wütend, klar. Tommy hatte schon immer schnell Wut empfunden, wenngleich mit zunehmendem Alter immer weniger. Und doch war sie ihm vertraut, ja sogar unerlässlich, so wie ein Feuerwehrmann sich am
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