Der letzte Beweis
natürlichsten fühlte, wenn er in ein brennendes Haus eindrang. Aber auch der Gedanke an späte Bestätigung drängte sich auf. Er hatte gewartet. Und Rusty hatte sein wahres Gesicht gezeigt. Wenn das alles vor Gericht bewiesen wurde, was würden die Leute dann zu Tommy sagen, die Leute, die jahrzehntelang auf ihn herabgeblickt hatten, als wäre er ein wild gewordener Gesetzeshüter, der allzu leicht davongekommen war, so wie brutale Cops oft ungeschoren davonkamen?
Aber während Tommy in der Kälte stand und mit den Füßen stampfte, kam ihm zwischen all diesen vorhersehbaren Reaktionen eine ganz eigenartige Erkenntnis. Wenn er nicht mit Dominga hätte zusammen sein können, was hätte er dann getan? Hätte er gemordet? Es gab nichts im Leben, was Menschen sich sehnsüchtiger wünschten als Liebe. Der Wind wurde heftiger und schnitt durch Tommy hindurch mit der eisigen Geradlinigkeit eines Messerstichs. Aber er verstand: Rusty musste diese junge Frau geliebt haben.
Rustys Geburtstag 19.03.2007 - Barbaras Tod 29.09.2008 - Die Wahl 04.11.2008
Kapitel 19
Anna, 24-25. September 2008
Ich bin in Nat verliebt. Ich bin wirklich verliebt. Endlich. Mit Haut und Haaren. Früher habe ich oft gedacht, ich wäre kurz davor, aber wenn ich jetzt morgens aufstehe, überfällt mich jedes Mal ein unwirkliches Staunen. Seit dem Tag, als er im Obersten Gericht auftauchte, sind wir praktisch unzertrennlich und haben seitdem jede Nacht zusammen verbracht, außer einer, als ich dienstlich nach Houston musste. Die Finanzkrise, die die Anwaltskanzleien schwer getroffen hat und mich in klaren Momenten um meinen Job bangen lässt, war bis jetzt ein Segen, weil ich dadurch meistens um fünf Uhr abends Feierabend machen kann. Wir kochen zusammen. Wir lieben uns. Und wir reden stundenlang miteinander. Alles, was Nat sagt, bereitet mir Freude. Oder rührt mich. Oder bringt mich zum Lachen. Wir schlafen frühestens um zwei oder drei Uhr nachts ein, und morgens kann ich mich kaum aus dem Bett schleppen, um zur Arbeit zu gehen. Von der Tür aus blicke ich ihn streng an und sage: »Wir müssen damit aufhören, heute Nacht müssen wir mal früher schlafen.«
»Hast recht«, sagt er. Und ich sehne mich den ganzen Tag, bis ich zu ihm zurückkehren kann, und dann beginnt der ganze, herrliche schlaflose Kreislauf von vorne.
Am Ende der ersten Woche ist Nat bei mir eingezogen, und wir haben nie ernsthaft darüber diskutiert, wo er ab dem kommenden Monat wohnen wird. Er wird mit mir zusammenleben. Es ist so, wie alle immer gesagt haben: Wenn es passiert, wirst du es wissen.
Dennis hat mich gefragt - das ist schließlich seine Aufgabe -, ob die schiere Unmöglichkeit der Situation etwas damit zu tun hat, ob ich mich nur deshalb so darauf einlassen konnte, weil ich weiß, dass ich es nicht tun sollte, und weil die Katastrophe schon irgendwo lauert. Ich kann das nicht beantworten. Es ist mir egal. Ich bin glücklich. Und Nat auch.
Mein Plan im Hinblick auf Rusty war gar kein Plan, außer dass ich ihn zumindest vorgewarnt habe. Als er da auf der Bank im Dulcimer saß, wurde er beängstigend wütend. Ich hatte damit gerechnet, nicht dass ich es mir gewünscht hätte, wie er meinte, sondern weil ich immer schon einen brodelnden Kern hinter der wortkargen Fassade vermutet habe. Aber mit der Zeit werden wir uns beide an diese verrückte Wendung der Dinge gewöhnen. Wir haben nämlich etwas Wesentliches gemeinsam. Wir lieben Nat.
Bis dahin habe ich mir vorgenommen, mich von Rusty fernzuhalten, was nicht so leicht ist, wie ich gehofft hatte. Barbara ruft Nat jeden Tag an. Meistens geht er ran und erzählt ihr dann so wenig wie möglich. Die Gespräche sind kurz und überwiegend praktischer Natur - Sonderangebote im Supermarkt, die ihn interessieren könnten, Neuigkeiten über die Familie und den Wahlkampf, Fragen nach seiner Jobsuche oder seinen Plänen für eine Wohnung ab Ende des Monats. Letzteres bedeutet, dass er ihr früher oder später von mir erzählen muss. Er hat mich gewarnt, dass ihm nichts anderes übrig bleiben wird, weil seine Mutter offenbar die Hoffnung hegt, dass er wieder zu seinen Eltern zieht. Trotzdem flehe ich ihn an, noch zu warten.
»Warum?«
»Ach Nat. Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal? Du erzählst ihr in einem Atemzug, dass wir ein Paar sind und zusammenleben? Sie wird das verrückt finden. Kannst du ihr nicht einfach sagen, du ziehst zu irgendeinem Freund?«
»Du kennst meine Mutter nicht. >Was ist das
Weitere Kostenlose Bücher