Der letzte Beweis
irgendeinen Einwurf zu wagen, so ließ Mo ihn zu Ende reden und fing dann einfach wieder von vorne an. Er war häufig ein schwieriger Zeuge, der sich weigerte, scheinbar offensichtliche Schlussfolgerungen zu ziehen. Und er war extrem unbeliebt bei der Polizeiführung, weil er sein öffentliches Ansehen schamlos ausnutzte und immer wieder mit Kündigung drohte, sollte sein Labor im Erdgeschoss des Präsidiums nicht mit den neusten technischen Errungenschaften ausgestattet werden. Dabei wurde das Geld manchmal dringender für kugelsichere Westen oder die Bezahlung von Überstunden gebraucht.
Mo kam ihnen an Krücken entgegengehumpelt, um sie zu begrüßen.
»Na, fit für den Twistwettbewerb?«, fragte Brand.
Mo war ein kantiger New Yorker mit vollem Haar, in dem nur einige wenige graue Strähnen zu sehen waren. Jetzt beugte er beide Ellbogen und wippte ein paar Zentimeter nach rechts und links. Brand bedankte sich herzlich dafür, dass Mo ihre Anfrage so schnell bearbeitet hatte, und Dickerman ging Hackend vor ihnen her ins Labor, ein halbdunkler Irrgarten von gedrängt stehenden Schreibtischen und Kartonstapeln und einigen freien Arealen für Mos sündhaft teure Geräte.
Er blieb vor seinem derzeitigen Lieblingsspielzeug stehen, einem Gerät zur Vakuum-Metallisierung von Spurenträgern. Die Chefs hatten sich einige Jahre gegen die Anschaffung gesträubt, weil sie weder der Bezirksverwaltung noch der Öffentlichkeit erklären wollten, warum sie eine Maschine brauchten, die latente Fingerabdrücke buchstäblich in Gold verwandelte.
Zu Tommys Zeiten als kleiner Staatsanwalt waren Fingerabdrücke lediglich Muster von Schweißrückständen, die durch Ninhydrin oder andere Pülverchen sichtbar gemacht wurden. War der Abdruck getrocknet, konnte man meist einpacken. Doch seit den 1980er Jahren hatten Experten wie Mo Methoden entwickelt, um die Aminosäuren im Schweiß zu konservieren. Inzwischen war es manchmal sogar möglich, aus einem latenten Fingerabdruck DNS zu gewinnen.
Mos Gerät zur Vakuum-Metallisierung war eine etwa neunzig mal sechzig Zentimeter große Stahlkammer. Alles, was sie enthielt, kostete ein Vermögen - Molybdäntiegel zur Bedampfung; kombinierte Kreisel- und Diffusionspumpen, die in weniger als zwei Minuten ein Vakuum erzeugten; ein ultraschneller Polycold-Kryokühler, um den Feuchtigkeitsentzug zu beschleunigen; und ein Computer, der das Ganze steuerte.
Man legte einen Spurenträger in die Kammer und gab ein paar Milligramm Gold in die Molybdäntiegel. Nachdem die Pumpen ein Vakuum erzeugt hatten, wurden die Tiegel unter Hochstrom gesetzt, sodass das Gold verdampfte und von den Fingerabdruckrückständen aufgenommen wurde. Anschließend wurde Zink verdampft, das aus chemischen Gründen nur in den Tälern zwischen den Papillarleisten anhaftete. Die gestochen scharfen Fotos der so gewonnenen goldenen Fingerabdrücke versetzten Geschworene stets in ehrfurchtsvolles Staunen.
Da Mo nun mal Mo war, ließ er es sich nicht nehmen, den gesamten Vorgang erneut zu erklären, obwohl sowohl Tommy als auch Brand den Vortrag schon öfter gehört hatten. Tags zuvor hatte Mo das Plastikfläschchen mit den Phenelzintabletten, die Rusty in der Apotheke abgeholt hatte, in die Kammer gegeben. Er hatte vier klare Abdrücke gewonnen, einen am oberen Rand, drei ziemlich weit unten. Das braune Tablettenfläschchen, das jetzt mit Gold überzogen war, lag in einem versiegelten Plastikbeutel auf einem Tisch neben dem Gerät.
»Von wem stammen die?«, fragte Tommy.
Mo hob einen mahnenden Finger. Er würde die Frage dann beantworten, wenn er so weit war.
»Wir haben sie mit denen der Verstorbenen abgeglichen. Mit vorhersehbaren Problemen. Ich geige den Leuten in der Rechtsmedizin nun schon seit zwanzig Jahren die Meinung, aber die nehmen die Fingerabdrücke von Toten immer noch so, als würden sie den Boden wischen. Die rollen die Finger nicht ab, die ziehen sie.« Dickerman hielt die Fingerabdruckkarte hoch, die die Kriminaltechniker im Rahmen der Obduktion angelegt hatten. »Die Abdrücke von Mittelfinger und kleinem Finger der rechten Hand sind nicht mal ansatzweise identifizierbar.« Innerhalb der beiden Quadrate, auf die Mo zeigte, war bloß ein verwischter Tintenklecks zu sehen. Dickerman schüttelte in gelinder Verzweiflung sein längliches Haupt.
»Ich kann Ihnen jedenfalls kategorisch sagen, dass die vier Abdrücke auf dem Fläschchen, das ich untersuchen sollte, nicht zu acht von zehn Fingern von Mrs Sabich
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