Der letzte Beweis
für ein Freund? Was macht er? Wo ist er aufgewachsen? Wo zur Schule gegangen? Was für Musik hört er gern? Hat er eine Freundin?< Ich meine, ich käme keine Minute damit durch.«
Also haben wir beschlossen, dass er es ihr erzählt. Ich bestand darauf, bei dem Telefonat dabei zu sein, damit ich seinen Teil des Gesprächs mithören konnte, aber ich drückte das Gesicht in eins von meinen Sofakissen, als er sich selbst als >Liebeszombie< bezeichnete.
»Sie ist begeistert«, sagte er, nachdem er aufgelegt hatte. »Total begeistert. Sie hat uns zum Dinner eingeladen.«
»O Gott, Nat. Bitte nicht.«
An der Art, wie sich seine Brauen zusammenzogen, merkte ich, dass er meine Vehemenz bezüglich seiner Eltern allmählich eigenartig fand.
»Aber du kennst sie doch schon.«
»Es wäre komisch, Nat. Jetzt. Wo das mit uns beiden noch so frisch ist. Findest du nicht, wir sollten erst mal mit normalen Leuten Umgang pflegen? Ich bin noch nicht so weit.«
»Ich finde, wir sollten es hinter uns bringen. Sie wird mich jetzt jeden Tag fragen. Mach dich drauf gefasst.«
Und tatsächlich. Er sagte jedes Mal ab, mit den üblichen Entschuldigungen, seine Arbeit oder meine. Aber von Tag zu Tag wurde mir die seltsame Symbiose zwischen Nat und seiner Mom immer deutlicher. Barbara schwebt über seinem Leben wie ein fordernder Geist, der keine eigene irdische Präsenz hat. Und er hat das Bedürfnis, sie zufriedenzustellen. Sie möchte uns gemeinsam sehen, aber es fällt ihr schwer, das Haus zu verlassen. Also müssen wir zu ihr.
»Du könntest einfach Nein sagen«, erklärte ich ihm letzte Woche.
Er lächelte. »Versuch du das mal«, antwortete er, und tatsächlich hielt er mir am nächsten Abend das Handy hin. »Sie möchte mit dir sprechen.«
Verdammt, sagte ich lautlos. Es war ein kurzes Gespräch. Barbara erging sich darin, wie wunderbar das alles sei, wie froh Rusty und sie seien, dass Nat und ich einander offenbar so viel bedeuteten. Ob wir nicht zu ihnen kommen und sie beide nur einen Abend lang an unserem Glück teilhaben lassen könnten? So wie viele intelligente Menschen mit Problemen versteht auch Barbara sich ausgezeichnet darauf, dich in die Ecke zu drängen. Mir blieb kaum etwas anderes übrig, als Ja zu sagen, und wir einigten uns auf den Sonntag in einer Woche.
Hinterher hielt ich mir den Kopf.
»Ich versteh das nicht«, sagte er. »Du bist doch sonst so locker. Miss Soziale Kompetenz. Seit anderthalb Jahren drängt mich meine Mom, ich soll mich mit dir verabreden. Du bist meine erste Freundin, mit der sie einverstanden ist. Sie fand Kat merkwürdig und meinte, Paloma hätte einen schlechten Einfluss auf mich.«
»Aber wie sieht das dein Dad, Nat? Meinst du nicht, dass das für ihn ziemlich komisch ist?«
»Meine Mom sagt, er ist total einverstanden und freut sich.«
»Hast du auch schon selbst mit ihm geredet?«
»Er hat nichts dagegen. Glaub mir. Er hat nichts dagegen.«
Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Barbaras Begeisterung über Nat und mich oder die Vorstellung, uns zusammen zu sehen, bei Rusty etwas anderes auslöst als Panik. Meine Furcht bestätigt sich, als ich heute in der Kanzlei bei der Durchsicht meiner privaten E-Mails zwei Mails mit Rustys Adresse sehe, und mir bleibt fast das Herz stehen. Als ich die Nachrichten öffne, sind es seltsamerweise zwei Empfangsbestätigungen für Mails, die ich ihm im Mai 2007 geschickt habe, vor sechzehn Monaten.
Ich brauche eine Weile, bis ich dahinterkomme. Während meiner Zeit mit Rusty buchte ich immer für uns die Hotelzimmer, weil er seine Kreditkarte nicht benutzen konnte. Die Onlinebuchung leitete ich dann an ihn weiter mit der Bitte um Empfangsbestätigung, damit ich wusste, dass er die Nachricht erhalten hatte, und er nicht extra antworten musste. Oft schickte ich mehrere solcher Nachrichten hintereinander - die ursprüngliche Reservierung, eine Erinnerung am jeweiligen Morgen und dann eine letzte E-Mail mit der Zimmernummer, sobald ich eingecheckt hatte. Da ich die Empfangsbestätigungen erhielt, wusste ich, dass er oft nur die letzte Mail öffnete, die er sich auf dem Weg zum Hotel auf seinem Black-Berry anschaute, ohne die übrigen Mails lesen zu müssen, wenn andere in der Nähe waren.
Die beiden Empfangsbestätigungen, die ich heute bekommen habe, betreffen solche E-Mails, die im letzten Jahr ungeöffnet blieben. Zuerst fasse ich das als eine Art perverses Stalking auf, als einen Versuch, mich daran zu erinnern, wo wir beide vor nicht allzu
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