Der letzte Beweis
Verteidigung in die Hände.«
»Der Scheiß mit dem rachsüchtigen Staatsanwalt? Ich hab dir schon gesagt, wie du den widerlegen kannst.«
Er meinte die DNS, die Untersuchung der Spermaspuren aus dem ersten Prozess.
»Das machen wir als Nächstes«, sagte Tommy.
»Ich dachte, du bist gegen einen Gerichtsbeschluss.«
»Wir brauchen keinen Gerichtsbeschluss«, sagte Tommy.
Brand sah seinen Boss forschend an, dann drückte er den Startknopf des Wagens und steuerte den Mercedes in den fließenden Verkehr. Auf der Straße unweit vom Polizeipräsidium wurden gerade sechs Kinder nach dem Mittagessen von zwei Müttern zurück zur Grundschule gescheucht. Alle waren verkleidet. Zwei der kleinen Jungs trugen Anzug und Krawatte und Barack-Obama-Masken.
Das, was Tommy seinem Ersten Staatsanwalt nun erklären würde, war ihm zum ersten Mal vor zehn Jahren eingefallen. Damals war er zurück zu seiner Mutter gezogen, um sie in ihren letzten Lebensjahren zu versorgen. Ihre Geräusche - meistens der durch das Emphysem verursachte Husten - weckten ihn oft auf der Liege im Esszimmer, die ihm als Bett diente. Wenn sie sich beruhigt hatte, dachte Tommy über alles nach, was in seinem Leben falsch gelaufen war, wahrscheinlich um sich selbst einzureden, dass er fähig wäre, auch diesen Verlust zu überstehen. Er ließ die tausend Kränkungen und unverdienten Beleidigungen Revue passieren, die er ertragen hatte, und so dachte er dann und wann auch an den Prozess gegen Sabich. Er wusste, dass eine DNS-Untersuchung zur Befriedigung aller abklären würde, ob Rusty reingelegt worden war oder tatsächlich ungestraft einen Mord begangen hatte. Und er hatte es verlockend gefunden, darüber nachzudenken, wie eine solche Untersuchung veranlasst werden könnte. Doch am nächsten Tag nahm er wieder davon Abstand. Neugier war gefährlich. Adam, Eva, Äpfel und so weiter. Manche Dinge sollte man einfach nicht herausfinden. Er ließ sich den Plan noch einmal durch den Kopf gehen, dann erläuterte er ihn Brand.
Wie in den meisten Staaten gab es auch in diesem ein Gesetz, das die Erstellung einer DNS-Datenbank vorschrieb. Biologisches Beweismaterial, das im Zusammenhang mit Sexualdelikten sichergestellt worden war, musste in dieser Datenbank erfasst und aufgeschlüsselt werden. Rusty war nur wegen Mordes angeklagt worden, nicht wegen Vergewaltigung, aber die Staatsanwaltschaft hatte die Theorie vertreten, dass Carolyn möglicherweise auch vergewaltigt worden war. Daher konnte die Polizei ohne Gerichtsbeschluss oder eine andere Form der Genehmigung die Blut- und Spermaproben von Rustys erstem Prozess aus dem Kühlraum der Rechtsmedizin holen und sie morgen testen. Im wahren Leben hatten die Cops natürlich schon alle Hände voll zu tun mit den gesammelten Beweisen aktueller Fälle und keine Zeit, sich auch noch mit Fällen zu befassen, die vor zwei Jahrzehnten mit Freispruch geendet hatten. Aber das Gesetz galt nun mal und war ohne Zeitlimit anwendbar, was bedeutete, dass Rusty hinsichtlich dieser alten Proben keinen Anspruch auf Wahrung der Privatsphäre hatte. Falls die Ergebnisse ihn belasteten, konnte er im Prozess schimpfen und toben, soviel er wollte, es würde ihm nichts nützen. Zur besseren Tarnung konnte Brand den Kriminaltechnikern sagen, sie sollten alle Proben aus den Jahren vor 1988 an die Polizei übergeben, und zwar die ältesten zuerst, da die am ehesten vom Zerfall bedroht waren.
Brand war begeistert. »Wir können sofort starten«, sagte er. »Gleich morgen. Schon in ein paar Tagen könnten wir die Ergebnisse haben.« Er durchdachte die Sache noch einmal. »Das ist super«, sagte er. »Und wenn er Dreck am Stecken hat, können wir die schweren Geschütze auffahren, nicht? Durchsuchungsbeschluss für seinen Computer? Zeugenvernehmungen? Richtig? Ende der Woche können wir loslegen. Müssen wir ja, nicht? Da kann keiner mehr einen Aufstand machen. Das ist super«, sagte Brand. »Einfach super!« Er warf während der Fahrt seinen schweren Arm um Molto und schüttelte ihn.
»Jimmy, du liegst falsch«, sagte Tommy leise. »Das wäre schlecht.«
Der Erste Staatsanwalt wich zurück. Darüber hatte Tommy in der letzten Woche einige schlaflose Nächte lang nachgedacht.
»Jimmy, es gibt hier zwei Möglichkeiten. Die eine ist schlecht, die andere noch schlechter«, sagte Tommy. »Falls die DNS nicht übereinstimmt, sind wir im Eimer. Endgültig. Schluss, aus. Richtig?«
Brand betrachtete Molto mit einem Gesichtsausdruck, der schwer zu
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