Der Letzte Bus Nach Woodstock
Leere. Schließlich schüttelte er resigniert den Kopf. »Das hat jetzt keinen Zweck mehr.«
Die Grundschule rückte als Möglichkeit immer näher. Die Sandburg neigte sich zur Seite, und es war abzusehen, wann sie vollends umstürzen würde. Es wurde Zeit, daß jemand anders den Fall übernahm. Er würde den Commissioner bitten, ihn abzulösen.
Ein paar Meter vor ihm hielt ein Polizeiwagen. Ein Constable steckte den Kopf aus dem Fenster. »Brauchen Sie Hilfe, Sir?«
»Ich komme schon zurecht, vielen Dank.« Er versuchte, seine gedrückte Stimmung mit einem Scherz zu überspielen: »Sieht schlimmer aus, als es ist. Warten Sie ab, nächste Woche fange ich mit dem Training an, und beim nächsten Heimspiel können Sie mich wieder im Sturm erleben.«
Der Constable lachte. »Muß ganz schön lästig sein, so ein verletzter Fuß. Besonders, wenn man damit nicht Auto fahren kann.«
Morse hatte in den letzten Tagen gar nicht mehr an seinen Wagen gedacht. Er stand jetzt schon über eine Woche unbenutzt in der Garage. »Rutschen Sie mal zur Seite, Constable, und lassen Sie mich auf den Fahrersitz. Ich möchte ausprobieren, ob es nicht doch schon wieder geht.« Er stieg ein, streckte die Beine aus, bewegte den rechten Fuß mehrere Male zwischen Brems- und Gaspedal hin und her und trat zum Schluß einmal kräftig auf die Bremse. Der Fuß war offenbar wieder einsatzfähig. Er ließ den Motor an, fuhr einmal rund um den Parkplatz, überzeugte sich davon, daß er Bremse und Gas ohne Schwierigkeit bedienen konnte, hielt an und stieg wieder aus. Er strahlte wie ein Waisenkind, das einen Teddybär geschenkt bekommen hatte.
»Jetzt sind Sie froh, was?« Der Constable begleitete Morse zurück und stützte ihn. »Morgen können Sie wieder mit Ihrem eigenen Auto kommen.«
»Ja, ein Glück«, sagte Morse.
In seinem Büro setzte er sich an den Schreibtisch und dachte an den morgigen Tag. Vor allen Dingen mußte er die Unterredung mit dem Commissioner hinter sich bringen. Vielleicht hatte er am Nachmittag Zeit. Das beste wäre, wenn er ihn jetzt gleich zu Hause anriefe. Er griff nach dem Telefon und wählte seine Nummer, doch es hob niemand ab. Sue war anscheinend nicht die einzige, die heute abend ausging. Er freute sich unbändig darauf, sie wiederzusehen. Es hatte wenig Zweck, sich da etwas vorzumachen. Aber wie tölpelhaft er sich angestellt hatte! Was hatte er sich nur dabei gedacht, sich ausgerechnet im The Bird and Baby mit ihr zu treffen? Sie war schließlich kein Kollege, mit dem er eben mal ein Bier trinken gehen wollte. Er hätte sie ins El i zabeth-Hotel oder das Sorbonne oder Sheridan einladen sollen. Und ihr vorzuschlagen, sie solle den Bus nehmen, anstatt sie abzuholen, wie sich das gehörte! Er sah auf die Uhr. Halb sieben. Da mußte er sie eigentlich zwischen Nachhausekommen und Ausgehen gerade erwischen. Aber wenn er versuchte, sie jetzt anzurufen, konnte es sein, daß Jennifer am Apparat war. Zum Teufel mit Jennifer! Vor ihm auf dem Schreibtisch lag die Oxford Mail, und er schlug den Teil mit den Unterhaltungsangeboten auf. › Import aus D ä nemark ‹ und › Heiße Höschen ‹ waren um eine Woche verlängert worden – wegen des starken Publikumsinteresses. Er überlegte, ob er mit ihr ins Kino gehen sollte. Es mußte ja nicht das Studio 2 sein. Sein Blick fiel auf eine Anzeige des Sh e ridan. So etwas hatte er gesucht. Einladung zum Candle-Light-Dinner mit Tanz, 19 Uhr 30 bis 20 Uhr 30 Bar. Kleine A bendgarderobe. Kartenvorbestellung erbeten. Er telefonierte mit dem Sheridan . Ja, einige Karten seien noch übrig, man könne zwei für ihn reservieren, er müsse sie jedoch noch heute abend abholen.
Die Nummer von Jennifer Coleby mußte in den Akten stehen. Er fand sie sehr schnell. Wie sollte er Sue ansprechen? Fürs erste war es wohl besser, es bei Miss Widdowson zu belassen. Hoffentlich hob sie selbst ab. Vorher noch einmal tief einatmen. Er kam sich vor wie ein alter Narr.
»Ja bitte?« Ein junges Mädchen, aber er konnte nicht entscheiden, ob es Sue war. Das Rauschen in der Leitung war zu stark.
»Ist dort Oxford 543 85?«
»Ja. Wen möchten Sie sprechen?« Morse merkte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Das war unzweifelhaft die kühle, nüchterne Stimme von Jennifer Coleby.
Morse versuchte zu klingen, als sei er nicht Morse. »Ich hätte gern Miss Widdowson, falls sie da ist.«
»Ja. Sie ist hier. Wenn Sie mir Ihren Namen nennen würden, damit ich ihr Bescheid geben kann …«
»Sagen Sie ihr, ein
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