Der letzte Drache
und weiter. Schlangenartig und geschmeidig passte Fafnir sich dem Durchmesser der Höhle an und zwängte sich elegant selbst durch engste Stellen, um, sobald der Platz es zuließ, sein scheinbar plumpes Trampeln wieder aufzunehmen. Für die ungleich kleineren Menschen waren die Höhlengänge kein Problem. Baldurs Amulett leuchtete zudem hell genug, um ihnen eine gute Sicht zu ermöglichen. Sie wanderten sicherlich eine gute Stunde in das Berginnere. Die Luft war abgestanden und feucht. Es roch nach Stein. Schließlich öffnete sich vor ihnen ein großer Raum, viel größer als der Eingangssaal der Höhle, den Baldurs Amulett ob seiner Größe nicht ausleuchten konnte.
“So, Kinder, wir sind da.” Fafnir war ganz aufgekratzt. Endlich würde er zu der Drachenkarte gelangen.
“Äh, Fafnir, das wird schwierig, wir sehen ja kaum was.”
“Stimmt, kein Problem. Diesen Raum haben die Drachenbrüder vor sehr, sehr langer Zeit angelegt. Sie haben die Karte gezeichnet und dann ein Versteck gebaut, damit sie nicht in die falschen Hände fällt. Ihre Amulette haben auch nicht gereicht, diese Katakombe zu erhellen und daher haben sie eine Beleuchtungsanlage gebaut. Schauen wir mal, ob sie noch funktioniert.”
Fafnir ging zu einer kleinen Einbuchtung links vom Eingang. Zunächst rollte er einen kleinen Stein zur Seite, danach öffnete er sein Maul und spie seine lötlampenartige Flamme. Nichts geschah.
“Ach, das ist wirklich nur noch ein Flämmchen, hihi. Ich muss noch näher dran.” Nun verschwand sein Kopf ganz in der Nische und man hörte ein Zischen und Gurgeln. Schließlich drang schwarzer Qualm aus der Felskaverne. Und nun entzündeten sich Lampen, eine nach der anderen. Wahrscheinlich waren sie über eine Petroleumleitung und ein Zündsystem miteinander verbunden. Baldur und Ella waren beeindruckt. Zu den Mitgliedern der Drachenbruderschaft schienen die besten Köpfe ihrer Zeit gehört zu haben. Nachdem alle Lampen brannten, erkannten sie das wahre Ausmaß der Höhle. Der Saal war sehr beeindruckend. Was sie aber in seinen Bann schlug war etwas anderes: An der ihnen gegenüberliegenden Stirnseite stand ein riesiger Drache, sicherlich dreimal so groß wie Fafnir. Er war komplett aus Stein, scheinbar in die Höhle hineingemeißelt. Sein Kopf ragte ihnen entgegen, das Maul geschlossen. Beide Flügel waren wie im Flug ausgebreitet. Er hatte die Farbe des Steines, ansonsten sah er so lebensecht aus, dass sie jeden Moment erwartet hätte, dass er auf sie zugeflogen käme. An beiden Seiten waren Treppen in den Stein gehauen, die zu seinem Haupt führten. Neben den Treppen erkannte man übermannsgroße Wappen, darunter das Zeichen der Drachenbruderschaft. Langsam klappte Baldur seinen Mund wieder zu und erfüllte Ella den Wunsch, sie zu stupsen. Sie wollte sich vergewissern, dass sie das nicht träumte.
“Wahnsinn, das ist sehr, sehr beeindruckend”, begann Baldur. “Was sind denn das für Wappen?”
“Na ja, das Zeichen der Drachenbruderschaft kennt ihr ja schon, die anderen 12 Wappen sind die der Familien, der die Drachenbrüder entstammen.”
“Oh, das ist spannend”, säuselte Ella
“Damit hätten wir einen Anhaltspunkt um die Mitglieder der Drachenbruderschaft zu finden.” Sie machte eifrig Fotos mit ihrem Smartphone.
“Und hier ist die Karte?”, schaltete sich Baldur ein.
“Ja, hier muss sie irgendwo sein. Mein Vater hat mir das gezeigt. Und er hat gesagt, die Bruderschaft hat die Karte im Drachenkopf versteckt. Und dass die Karte durch verschiedene Fallen und Mechanismen geschützt ist. Und dass der Schlüssel der Sockel ist. Und wenn ich sie brauche, soll ich einfach einen aus der Drachenbruderschaft um Hilfe bitten. Die können das nämlich, hihi.” Baldur und Ella bewunderten noch immer das antike Bauwerk und dessen Ausdruckskraft. Doch nun wirkten sie irritiert.
“Was genau können wir denn?”, fragte Baldur vorsichtig.
“Na ja, also wir Drachen gehen ja nicht zur Schule oder so.” Fafnir räusperte sich.
“Ja, dachte ich mir schon, und weiter?”
“Also, schaut euch doch mal den Sockel, auf dem der Drache steht, genauer an.” Fafnir wollte einfach nicht so recht raus mit der Sprache also machten sich Ella und Baldur auf und durchquerten die riesige Halle. Tatsächlich, auf dem Sockel war eine Inschrift.
“Fafnir, das ist sehr schlecht zu erkennen, kannst du da bitte mal draufblasen, damit der Staub verschwindet?” Ella hatte das kaum gesagt als sich Fafnirs Backen blähten.
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